Page - 169 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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So sehr Überlegungen zum Schutz von Mietern, deren Geschäfte coro-
nabedingt nur eingeschränkt oder gar nicht geöffnet sein können, auch
nachvollziehbar sind – die Annahme eines die Tauglichkeit aufhebenden
Mangels und die damit einhergehende Überwälzung der Folgen der Pan-
demie auf den Vermieter scheint genauso wenig gerecht, wie wenn die
Mieter ihre Folgen alleine tragen muss.94 Letztlich dienen die beschlosse-
nen Maßnahmen der Allgemeinheit, sodass es gerecht erscheint, die mit
ihnen einhergehende Belastung auch auf möglichst viele Schultern zu ver-
teilen. Im mietrechtlichen Mangelgewährleistungsrecht geht es um die Zu-
weisung von Gebrauchsbeeinträchtigungen nach Ursachensphären.95 Je-
doch lässt sich eine Pandemie letztlich keiner Ursachensphäre der Ver-
tragsparteien zurechnen,96 sodass das mietrechtliche Mangelgewährleis-
tungsrecht letztlich nicht zu passen scheint.97
Wegfall der Leistungspflicht nach §§326, 275 BGB
In eine ähnliche Richtung wie die Entscheidung des RG geht die Ansicht
von Schall, nach welcher die coronabedingten Schließungen zwar keinen
Mangel der Mietsache begründen, aber zu einer Unmöglichkeit für den
Vermieter führen, die den Mieter nach §326 Abs.1 S.1 BGB von der
Pflicht zur Mietzahlung befreit.98 Schall differenziert also zwischen der
Nichterfüllung der vertraglichen Pflicht – diese sei mit Blick auf den Ver-
mieter bei coronabedingten Geschäftsschließungen gegeben, weil sie in
ihrer inhaltlichen Dimension auch die Art und Weise der vertraglichen
Nutzung etwa als Geschäftsbetrieb umfasse – und einem Mangel – an die-
sem fehle es insoweit, weil die Nutzungsuntersagung ihren Grund nicht in
der Mietsache habe.99 Auf den ersten Blick scheint die Differenzierung
plausibel. Der BGH definiert den Mangel der Mietsache in ständiger
Rechtsprechung schließlich als „für den Mieter nachteilige Abweichung
III.
94 In diesem Sinne auch M.-P. Weller/M. Lieberknecht/V. Habrich, Virulente Leis-
tungsstörungen (Fn.17), S.1021.
95 N. Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14.Aufl., München 2019, §536
Rn.12ff.
96 M.-P. Weller/M. Lieberknecht/V. Habrich, Virulente Leistungsstörungen (Fn.17),
S.1021.
97 A.A. M.-P. Weller/C. Thomale, Mietminderung (Fn.53), nach denen §536 BGB
mit Blick auf die coronabedingten Schließungen eine Minderung um 50% zu-
lässt.
98 A. Schall, Corona-Krise (Fn.78), S.389.
99 A. Schall, Corona-Krise (Fn.78), S.389. Niemand zahlt mehr Miete!?
169
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
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