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raum ĂĽber in einem hierfĂĽr geeigneten Zustand zu erhalten. Zum Zu-
stand der Mietsache zählen dabei neben ihrer physischen Beschaffenheit al-
le tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, sofern diese mit der Sache
zusammenhängen.106 Daraus folgt, dass der Vermieter seine Hauptleis-
tungspflicht lediglich auf zwei Arten „nicht erfüllen“ kann – nämlich
durch die NichtĂĽberlassung der Mietsache oder durch die Ăśberlassung der
Mietsache, ohne dass diese sich in einem für den vertragsgemäßen Ge-
brauch geeigneten Zustand befindet. Konstellationen, in denen eine
„Nichterfüllung“ des Vermieters vorliegt, ohne dass von einem Mangel ge-
sprochen werden kann, sind allerdings nur im ersten Fall denkbar. Denn
allenfalls wenn der Vermieter dem Mieter die Mietsache von Anfang an
nicht überlässt, oder wenn die Mietsache nachträglich vollständig zerstört
wird, lässt sich vernünftiger Weise auch unter Beachtung des weiten Zu-
standsbegriffs nicht von einem „Mangel der Mietsache“ sprechen.107 Hat
der Vermieter die Mietsache jedoch ĂĽberlassen und ist die Sache noch exis-
tent, kommt eine „Nichterfüllung“ des Vermieters nur in Betracht, soweit
die Mietsache sich nicht in einem für den vertragsgemäßen Gebrauch ge-
eigneten Zustand befindet. Dies sind jedoch die klassischen Fälle des Man-
gels. Mit Blick auf die Beschränkungen durch die Corona-Erlasse bleibt al-
so kein Raum für die Qualifikation als „Nichterfüllung“ durch den Ver-
mieter ohne gleichzeitige Qualifikation als Mangel. Lehnt man jedoch
einen Mangel ab, muss man die Wertungen des §536 BGB respektieren
und kann nicht auf §§326, 275 BGB zurückgreifen, um den Mieters seiner
Leistungspflicht zu befreien.
Es lässt sich auch nicht argumentieren, dass die Bestimmungen des
mietrechtlichen Mängelgewährleistungsrechts und die Bestimmungen der
§§326, 275 BGB unterschiedliche Risikoregeln betreffen und ihre Wertun-
gen deshalb nicht miteinander kollidieren. Die Regelung in §536 BGB ist
unmittelbare Ausprägung des Äquivalenzprinzips und soll das Austausch-
verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung herstellen, soweit dieses
wegen eines Mangels der Mietsache gestört ist.108 Bekommt der Mieter
nicht was ihm versprochen wurde, so lässt sich der Regelungsgehalt zu-
sammenfassen, muss er sich seinerseits auch nicht an sein Versprechen hal-
ten. Die Anpassung erfolgt deshalb ipso iure und es ist unerheblich, ob der
Vermieter die Gebrauchsbeeinträchtigung zu vertreten hat oder nicht.
Auch §326 BGB ist Ausdruck der Verknüpfung von Leistungspflicht und
106 M. Häublein (Fn.10), §573 Rn.18.
107 M. Bieder (Fn.101), §536 BGB Rn.9.
108 M. Bieder (Fn.101), §536 BGB Rn.1. Niemand zahlt mehr Miete!?
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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