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Staatshaftung
Gegenüber den Reisenden
Für die Bundesrepublik Deutschland besteht darüber hinaus in doppelter
Hinsicht die Gefahr einer potentiellen Staatshaftung. Kann der Kunden-
geldabsicherer, der nur auf eine Höchstsumme von 110 Millionen € einge-
stellt war, nicht sämtliche Ansprüche der Reisenden erfüllen, steht diesen
ein unmittelbarer Regressanspruch gegen den Staat zu. Nach der Recht-
sprechung des EuGH ergibt sich insoweit direkt aus Europarecht eine Ver-
pflichtung zum Ausgleich für legislatives Unrecht, wenn Mitgliedstaaten
eine Richtlinie nicht korrekt umsetzen.85 Ein ausreichend qualifizierter
Verstoß ist zu bejahen, da spätestens seit der Insolvenz von Thomas Cook
der bereits seit Langem von einer Vielzahl von Autoren beklagte86 Miss-
stand offenkundig ist, ohne dass der Gesetzgeber Maßnahmen ergriffen
hätte.87 Zudem ist die mangelnde Geeignetheit der deutschen Maßnah-
men schon bei einem nur oberflächlichen Vergleich zwischen Umsatz und
damit potentiellem Insovenzschaden und Absicherungshöhe erkennbar.
Der zu ersetzende Schaden besteht darin, dass bei zutreffender Umsetzung
der Absicherer gezwungen gewesen wäre, umfangreichere Rücklagen zu
bilden und etwaige Rückversicherungen abzuschließen, so dass er auch al-
le an ihn gestellten Ansprüche erfüllen könnte. Kommt es hierzu auf
Grund des staatlichen Versagens nicht, hat die Bundesrepublik Deutsch-
land den Differenzbetrag als Schaden zu erstatten.
Gegenüber dem Absicherer
Zugleich können aber auch Forderungen des Sicherungsgebers an die
Bundesrepublik Deutschland gestellt werden.88 Dieser wird nämlich in sei-
nem Vertrauen auf die korrekte Umsetzung enttäuscht, wenn er sich auf
2.
a)
b)
85 Siehe bereits zu bisherigen Fällen der Staatshaftung bei fehlender Insolvenzsiche-
rung im Reiserecht: EuGH Slg.1996 I-4845; Slg.1999, I-3499; BeckRS 2014,
80245; NJW-RR 2019, 940 (941f.). Ebenfalls eine Staatshaftung der Bundesrepu-
blik für diesen Fall bejahend: Baumgärtner (Fn. 70), §651r Rn.41.1; zweifelnd:
Blankenburg (Fn. 65), §651r Rn.69.1f.; Staudinger (Fn. 16), §12 Rn.23.
86 Siehe zur früheren Diskussion: Tonner (Fn. 16), §651r Rn.21.
87 Dies sieht nun auch Blankenburg (Fn. 65), §651r Rn.69.2 als problematisch an.
Wie hier auch: Staudinger/Achilles-Pujol (Fn. 10), §7 Rn.70
88 Ebenso: Baumgärtner, §651r (Fn. 70), Rn.41.1.
Patrick Meier
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
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