Page - 195 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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die durch §651r Abs.3 S.3 BGB ausgesprochene Haftungsobergrenze
nicht verlassen kann, sondern in deutlich größerem Umfang als nach sei-
ner begrĂĽndeten Kalkulation vorgesehen, herangezogen wird. In den Ent-
scheidungen des EuGH ist bislang nur die Situation behandelt worden,
dass einem Privaten VorzĂĽge aus einer Richtlinie deshalb entgehen, weil
sie nicht in das nationale Recht implementiert wurden.89 Gleichwohl muss
aber ein Schadensersatzanspruch nach denselben Regeln auch dann ge-
währt werden, wenn sich eine Person auf die durch das nationale Gesetz
ausgesprochenen Regelungen verlässt und insoweit Dispositionen trifft,
die sich später wegen der Europarechtswidrigkeit der nationalen Norm als
verfehlt erweisen.90 Der BĂĽrger ist nicht weniger schutzwĂĽrdig, wenn er
einen durch das europäische Recht vorgesehenen Anspruch nicht erlangt,
als wenn er auf vermeintlich wirksame Zusagen, die durch das nationale
Recht abgegeben werden, vertraut.91 Auch in diesem Fall muss ihm ein
finanzieller Ausgleich gewährt werden, weil seine Nachteile auf der fehler-
haften Umsetzung des europäischen Rechts beruhen. Der Schaden des Ab-
sicherers besteht zumindest darin, dass er andernfalls weitaus höhere Prä-
mien hätte durchsetzen können. Die Differenz zwischen den verlangten
und den bei voller Absicherung angemessenen Prämien hat ihm die Bun-
desrepublik Deutschland zu ersetzen. Kann der Kundengeldabsicherer
nachweisen, dass er bei Kenntnis der vollen Einstandspflicht weitergehen-
de MaĂźnahmen, insbesondere Absicherungen ĂĽber RĂĽckversicherungen,
getroffen hätte, muss ihm der Staat auch die hieraus entstehenden Schäden
kompensieren. Diese belaufen sich auf den durch die RĂĽckversicherung er-
statteten Beträge abzüglich der im Vorfeld gezahlten Prämien.
Vertragsverletzungsverfahren
SchlieĂźlich droht auch ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art.258
AEUV durch die EU-Kommission, so dass dem nationalen Gesetzgeber
dringend anzuraten ist, §651r Abs.3 S.3 BGB schnellstmöglich derart an-
3.
89 Grundlegend: EuGH, Slg.1991, I-5357.
90 T. Giegerich, Europarechtskonträre Staatshaftung? – Widerspruchsfreiheit der
Rechtsordnung und Pflichtenstellung Privater nach dem Karlsruher Honeywell-
Dictum, EuR 2012, 373ff.; P. Meier, Der Widerruf eines Teilzeit-Wohnrechte-Ver-
trags nach der Verbraucherrechterichtlinie, ZfIR 2014, 799 (803).
91 Giegerich, Staatshaftung (Fn. 90), EuR 2012, 373ff.; Meier, Widerruf (Fn. 90), ZfIR
2014, 799 (803); zustimmend auch Baumgärtner (Fn. 70), §651r Rn.41.1.
Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245