Page - 198 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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Normen des CIV verwiesen. Es ist deshalb systematisch nicht angezeigt,
eine Vorschrift über die Verspätung entsprechend anzuwenden. Vielmehr
verhält sich die Verordnung selbst zur Annullierung überhaupt nicht, wes-
halb aus ihr auch keine Vorgaben für derartige Konstellationen abgeleitet
werden können. Auf Grund der Lücke, die sowohl das internationale
Übereinkommen als auch die europarechtliche Verordnung lassen, ver-
bleibt es beim nationalen Recht.103 Weil der Vertrag über den Transport
von Menschen werkvertraglichen Charakter hat104 und damit die §§631ff.
BGB anzuwenden sind, kann der Unternehmer die Zahlung erst verlan-
gen, wenn er selbst die von ihm geschuldete Leistung erbracht hat. Da die-
se jedoch insgesamt nicht durchgeführt werden kann, wird sie nach §275
Abs.1 BGB unmöglich, so dass auch der Anspruch auf die Gegenleistung
nach §326 Abs.1 S.1 BGB entfällt. Dies gilt hier auch vor dem Hinter-
grund, dass Beförderungsleistungen von der h. M. nicht als absolute Fixge-
schäfte eingeordnet werden.105 Wird nämlich der Flug nicht verschoben,
sondern entfällt er komplett, liegt eine Annullierung vor, die dazu führt,
dass dieser Flug nicht mehr ausgeführt werden kann und damit dauerhaft
unterbleibt.106 Infolgedessen tritt hinsichtlich der gebuchten Beförderung
Unmöglichkeit ein. Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich demnach im
deutschen Recht aus §326 Abs.4i.V.m. §346 Abs.1 BGB.
Reformüberlegungen des Gesetzgebers
Rechtspolitische Planungen
Um die Reiseveranstalter zu schützen und um ihre Liquidität zu sichern,
erwägt der Bundesgesetzgeber allerdings eine Änderung des BGB, wonach
II.
1.
103 Vgl. zur Beziehung zwischen nationalem und internationalem Recht im Bereich
der Bahnreisen: Meier (Fn. 27), §18b Rn.7; im Ergebnis wie hier: A. Staudinger,
Zweifelsfragen der Verordnung (EG) Nr.1371/2007 des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 23. 10. 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahr-
gäste im Eisenbahnverkehr, EuZW 2008, 751 (753).
104 BGHZ 62, 71 (75); BGH NJW 1969, 2014 (2015).
105 BGH NJW 2009, 2743 (2743f.); OLG Frankfurt NJW 2018, 3591; ausführlich da-
zu: A. Staudinger, Wider die Qualifikation des Luftbeförderungsvertrages als ab-
solutes Fixgeschäft sowie die Relevanz des Mängelrechts, RRa 2005, 249 (251ff.);
anders noch: OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 930; OLG Frankfurt a. M. NJW-
RR 1997, 1136.
106 Siehe zur Unterscheidung zwischen Annullierung und Verspätung: EuGH,
Slg.2009, I-10923 Rn.36.
Patrick Meier
198
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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