Page - 202 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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die Zahlung gänzlich zu unterlassen, sind bereits erbrachte Leistungen oh-
ne Rechtsgrund gewährt worden. Korrespondierend, wenn auch nicht ex-
plizit in der RL ausgesprochen, muss er deshalb einen Anspruch auf Rück-
zahlung dieser Summen haben.121 Insoweit kann eine angemessene Min-
derung ebenfalls nur in einer Rückzahlung in Geld bestehen, weil der Rei-
sende ansonsten keine äquivalente und damit angemessene Preisreduktion
erhält, wenn er Gutscheine akzeptieren muss. Solche sind aus den oben ge-
nannten Gründen nicht gleichwertig zur Barzahlung, weshalb sich keine
Angemessenheit im Verhältnis zum kompletten Unterbleiben der Reise er-
gäbe.
Eine Regelung im BGB, wonach der Reisende Gutscheine statt der Bar-
leistung vom Reiseveranstalter annehmen muss, verstößt mithin gegen die
zwingenden Vorgaben der Pauschalreise-RL. Dies gilt auch dann, wenn
eine staatliche Absicherung vorliegt, weil diese dennoch nicht gleichwertig
mit der Zahlung von Geld ist und zudem eine solche Option durch die
RL nicht vorgesehen wird. Eine Anpassung wäre nur dann zulässig, wenn
die Richtlinie durch die Europäische Union geändert würde. Bis dahin
würde sich ein nationaler Alleingang als Verletzung des Sekundärrechts
darstellen und damit einer Prüfung durch den EuGH nicht standhalten.
Hieran kann auch das europäische Primärrecht nichts ändern.122 Die Aus-
gestaltung der Pauschalreise-RL ist nicht für sich genommen unverhältnis-
mäßig, da die Rückzahlung eines bereits im Vorfeld entgegengenomme-
nen Preises in diesen Fällen dem Wesen der werkvertraglichen Leistung
des Unternehmers entspricht. Kann er seine Leistung nicht erbringen, ver-
liert er auch den Anspruch auf die Gegenleistung, wobei es dann nicht
dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspricht, wenn er infolge seines
unternehmerischen Risikos auch die Gefahr eingeht, insolvent zu werden.
Dies ist jeder werkvertraglichen Betätigung immanent und Bestanteil der
vereinbarten Risikotragung.
Ein Spielraum besteht für den deutschen Gesetzgeber lediglich im Be-
reich der Eisenbahnbeförderung. Dort existieren, wie gezeigt, keine
europäischen Vorgaben über die Rückzahlungsverpflichtung, so dass diese
allein auf nationalem Recht beruht. Der deutsche Gesetzgeber wäre daher
darin frei, eine entsprechende Sonderregelung zu treffen. Diese wäre auch
nach überwiegender Meinung mit Art.3 Abs.1 GG zu vereinbaren, weil
121 Im Ergebnis ebenso zum deutschen Recht: Geib (Fn. 6), §651m Rn.11; Kramer
(Fn. 96), §651m Rn.176; Steinrötter (Fn. 8), §651m Rn.30; Staudinger (Fn. 16),
§ 21 Rn.32.
122 So aber Staudinger/Achilles-Pujol (Fn. 10), §7 Rn.114ff.
Patrick Meier
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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