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durch reduzierte Absatzchancen am Markt, das Ausbleiben notwendiger
Zulieferungen oder das krankheitsbedingte Fehlen einer für den ertragrei-
chen Betrieb erforderlichen Belegschaftsgröße beeinträchtigt werden. Um-
gekehrt ist aber auch denkbar, dass das Leistungsinteresse des Arbeitgebers
pandemiebedingt wächst: Besonders die systemrelevanten Einrichtungen,
aber auch Unternehmen der Lebensmittel- und Logistikbranche stoßen in
der Pandemie an ihre Kapazitätsgrenzen, die durch Krankheitsausfälle und
mitunter steigende Nachfrage in einzelnen Marktsegmenten vor zusätzli-
che Belastungsproben gestellt werden.
Aber auch, wenn der Arbeitnehmer zur Arbeit fähig und bereit ist und
der Arbeitgeber weiterhin ein Interesse am Erhalt der Arbeitsleistung hat,
bestehen in der Coronakrise besondere Gefahren für das Integritätsinteres-
se der Parteien, welche durch das Vertragsrecht abgebildet werden müssen.
So wird der Arbeitgeber die durch das Infektionsrisiko erhöhte Erkran-
kungsgefahr durch geeignete Schutzmaßnahmen reduzieren müssen, um
dem Risiko einer Ausbreitung der Krankheit in der Belegschaft entgegen-
zutreten. Will er eine Kettenansteckung verhindern, wird er dabei ein In-
teresse an Aufklärung über personenbezogene Krankheitsinformationen
haben, um potenzielle Ansteckungsherde frühzeitig zu erkennen und zu
isolieren. Dies wirft neben datenschutzrechtlichen Fragen auch Haftungs-
fragen auf, wenn der Arbeitgeber oder infizierte Arbeitnehmer die zur Ver-
hinderung einer Ausbreitung der Infektion erforderlichen Maßnahmen
unterlassen und hierdurch die Gesundheit anderer Arbeitnehmer gefähr-
den.
Diese drei Problemkreise sollen im Folgenden schrittweise auf ihre Be-
handlung durch das Arbeitsvertragsrecht untersucht werden. Dabei soll
der Identifikation normativer Grundentscheidungen der arbeitsrechtlichen
Risikotragung Vorrang vor der Beantwortung spezieller Rechtsfragen ein-
geräumt werden, um der eingangs beschriebenen Diffusion einzelfallab-
hängiger Subsumtionsergebnisse, die in Anbetracht der Diversität von Ar-
beitsverhältnissen unausweichlich ist, entgegenzuwirken.
Pandemiebedingte Arbeitsunfähigkeit/-unwilligkeit des Arbeitnehmers
Risiken für den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis können sich in
der Coronakrise zunächst daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer zur Ar-
beitsleistung unfähig oder unwillig ist. Dabei sind Fälle, in denen sich die
Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit des Arbeitnehmers auf die gesamte Arbeits-
leistung bezieht, von solchen zu unterscheiden, in denen er lediglich zur
Durchführung einzelner Weisungen außer Stande oder nicht bereit ist. In
B.
Stephan Klawitter
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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