Page - 234 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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chen Fälle übertragen wird.32 Insofern besteht gar keine Notwendigkeit,
den Arbeitgeber vom pandemiebedingten Betriebsuntersagungsrisiko zu
Lasten seiner Arbeitnehmer zu befreien, zumal die Frage nach Entschädi-
gungsansprüchen der Betriebsinhaber gegen den Staat bislang gerichtlich
nicht geklärt ist.33
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers
Muss der Arbeitgeber danach seine Arbeitnehmer auch für den Fall ent-
lohnen, dass er ihre Arbeitsleistung nicht verwenden kann, wird er regel-
mäßig ein Interesse daran haben, sich von einzelnen Arbeitnehmern zu
trennen, um in der Krise Lohnkosten einzusparen. Die betriebsbedingte
Kündigung kann dabei allerdings nur ultima ratio sein.34 Daran sind im
Pandemiefall insoweit hohe Anforderungen zu stellen, da der Arbeitsman-
gel hier oftmals nur vorübergehender Natur ist, was für eine betriebsbe-
dingte Kündigung regelmäßig unzureichend sein wird.35 Erforderlich für
eine Kündigung aus dringenden, betrieblichen Erfordernissen wird daher
eine Prognose sein, dass der Personalbedarf zumindest auch in der Folge-
zeit der Pandemie aufgrund der zu erwartenden, volkswirtschaftlichen
Schäden hinter dem Vorkrisenniveau zurückbleibt.36
Bevor der Arbeitgeber allerdings betriebsbedingte Kündigungen über-
haupt aussprechen kann, hat er zunächst sämtliche Handlungsalternativen
zu erwägen, um eine einseitige Vertragsbeendigung zu vermeiden. So
kann der Arbeitsmangel teilweise durch den Abbau von Überstunden- und
Arbeitszeitkonten kompensiert werden.37 Der Arbeitgeber kann Arbeit-
nehmer weiterhin freistellen, wobei eine unentgeltliche Freistellung nur in
Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgen kann, da der Vergütungs-
anspruch bei einseitiger Freistellung in der Regel gem. §615 S.1 BGB we-
2.
32 M. Fuhlrott/K. Fischer, NZA 2020, 345, 348; M. Fuhlrott, GWR 2020, 107, 110.
33 Entschädigungsansprüche befürwortend Antweiler, NVwZ 2020, 584, 589; M-P.
Weller/M. Lieberknecht/V. Habrich, NJW 2020, 1017, 1019.
34 Allgemein zum Ultima-Ratio-Prinzip der betriebsbedingten Kündigung U. Preis,
Individualarbeitsrecht, Rn.2856ff.
35 C. Zieglmeier, DStR 2020, 729, 734; insbesondere die Einführung von Kurzarbeit
wird regelmäßig für einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel sprechen, vgl.
BAG NZA 2012, 852, 854f.
36 C. Zieglmeier, DStR 2020, 729, 734.
37 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1115.
Stephan Klawitter
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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