Page - 237 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
Image of the Page - 237 -
Text of the Page - 237 -
flussen. Über §618 I BGB finden diese Schutzpflichten Einzug in die
schuldrechtliche Beziehung der Parteien und begründen einen Anspruch
des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, ihm zumutbare Maßnahmen
zu ergreifen, um Arbeitnehmer möglichst effektiv vor einer Infektion zu
schützen.45 Die Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen hat dabei die
sich verändernde Infektionslage zu berücksichtigen (§3 I 2 ArbSchG) und
hat arbeitsplatzbezogen zu erfolgen.46 Zu den erforderlichen Maßnahmen
werden dabei zunächst solche zu zählen sein, die während der Pandemie
auch für den gemeinsamen Umgang im öffentlichen Raum gelten (Ab-
standsgebote, Hygieneanforderungen, Meidung persönlicher Kontakte).47
Daneben kommen je nach Eigenart des Arbeitsplatzes auch die Errichtung
physischer Barrieren, die Verkürzung von Reinigungsintervallen und die
Verwendung angemessener Schutzkleidung in Betracht.48 Gem. §4 Nr.6
ArbSchG hat der Arbeitgeber die Bedürfnisse von Beschäftigtengruppen
mit erhöhtem Infektionsrisiko besonders zu berücksichtigen.49 Eine Nicht-
erfüllung dieser Schutzpflichten erlaubt dem Arbeitnehmer die Leistungs-
verweigerung gem. §273 I BGB, wobei sein Entgeltanspruch nach §615
S.1 BGB fortbesteht.50
Aufklärungspflichten
Zu einer effektiven Infektionseindämmung wird der Arbeitgeber regelmä-
ßig aber nur in der Lage sein, wenn er über eine hinreichende Informati-
onsgrundlage über den Gesundheitszustand seiner Arbeitnehmer verfügt.
Nur so ist es ihm möglich, potenzielle Infektionsherde frühzeitig zu erken-
nen und zu isolieren, um eine Ausbreitung der Infektion in der Beleg-
schaft zu vermeiden. Umgekehrt werden aber auch Arbeitnehmer in der
Coronakrise ein Interesse daran haben, zu erfahren, von welchen Kollegin-
nen und Kollegen die Gefahr einer Ansteckung ausgeht. Das Arbeitsver-
II.
45 ErfK/R. Wank, §618 BGB Rn.4; U. Preis, Individualarbeitsrecht, Rn.1795; MüKo-
BGB/M. Henssler, §618 Rn.9.
46 A. Groeger, ARP 2020, 106, 110; A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113.
47 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113; M. Weber will indes Pflichten zur
Hygienevorkehrung erst erwachsen lassen, wenn die abstrakte Gefährdungslage
im Betrieb in eine konkrete Infektionsgefahr umgeschlagen ist, ARP 2020, 120,
121.
48 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113.
49 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113.
50 ErfK/R. Wank, §618 BGB Rn.25, 27; U. Preis, Individualarbeitsrecht, Rn.1795;
MüKo-BGB/M. Henssler, §618 Rn.92f. Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise
237
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
back to the
book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245