Page - 241 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
Image of the Page - 241 -
Text of the Page - 241 -
mierisiko durch flankierende öffentlich-rechtliche Maßnahmen wie die Er-
leichterungen der Regelungen zum Kurzarbeitergeld abzumildern ver-
sucht.
Die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen als Sorgenkinder der Pandemie
Lässt sich dem Arbeitsvertragsrecht hinsichtlich seiner Regelungsinhalte
und -dichte ein ordentliches Zeugnis ausstellen, so wirft die gegenwärtige
Krise doch zumindest Fragen hinsichtlich seines persönlichen Anwen-
dungsbereiches auf. Denn es sind besonders die arbeitnehmerähnlichen
Personen, die von den arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen weitgehend
ausgenommen sind, obwohl ihr wirtschaftliches Schicksal in der Pandemie
regelmäßig eng mit dem ihres Dienstherrn verknüpft ist. Als Selbständige
tragen sie die pandemiebedingten Wirtschafts- und Betriebsrisiken selbst,
müssen ihre Tätigkeit auf eigene Kosten an besondere Verhaltensvorschrif-
ten anpassen und genießen gegenüber ihrem Dienstherrn keinen besonde-
ren Kündigungsschutz. Den besonderen Schutzbedarf Solo-Selbständiger
hat auch die Bundesregierung erkannt und bezuschusst daher Kleinstun-
ternehmer, welche infolge der Coronakrise unter wirtschaftlichen Schwie-
rigkeiten leiden.60
Die Notwendigkeit staatlicher Unterstützungsmaßnahmen wirft aber
zumindest die Frage nach der wirtschaftlichen Verantwortlichkeit von
Dienstherren jedenfalls in solchen Absatz- und Vertriebssystemen auf, die
auf dem Verbund zahlreicher Einzelunternehmer unter einer gemeinsa-
men Marktpräsenz beruhen, wie dies z.B. bei Franchisesystemen oder
Crowdworkplattformen der Fall sein kann. Während die System- oder
Plattformbetreiber hier in wirtschaftlich stabilen Zeiten von Umsatzbetei-
ligungen und einem bedingt durch die stärkere Marktdurchdringung stei-
genden Markenwert von der gemeinsamen Wertschöpfungskette profitie-
ren, sind sie gegenüber ihren Dienstleistern in der Krise über das für
Dienstverträge gewöhnliche Maß hinaus kaum zu besonderer Unterstüt-
zung verpflichtet. Umgekehrt – und das zeigt mit der Vapiano-Insolvenz
bereits die erste pandemiebedingte Zahlungsunfähigkeit eines Systemun-
ternehmens – sind die selbständigen Dienstleister besonders in der Gastro-
II.
60 So können kleine Unternehmen, Selbständige und Freiberufler für einen Zeit-
raum von drei Monaten Betriebskostenzuschüsse beantragen, welche vom Bund
im Umfang von 50 Milliarden Euro bereitgestellt und von den Ländern ausge-
zahlt werden; daneben wurde auch der Zugang zur Grundsicherung für Selbstän-
dige erleichtert, um deren Lebensunterhalt und Wohnkosten abzusichern.
Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise
241
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
back to the
book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245