Page - 17 - in Der Weg ins Freie
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unterbrechen, lehnte Anna die Türe zu.
Josef war es gewesen, der sein Organ nicht länger hatte bändigen können.
»Ich werde noch einen Sprung ins Kaffeehaus hinüber schauen«, sagte er.
Man erwiderte nichts. Herr Rosner trommelte leise auf den Tisch, und seine
Gattin nickte scheinbar gleichgültig.
»Also adieu.« Bei der Tür wandte sich Josef wieder um und bemerkte mit
mäßiger Festigkeit. »Mama, wenn du vielleicht einen Moment Zeit hast… «
»Ich hör schon«, sagte Frau Rosner, »es wird ja kein Geheimnis sein.«
»Nein. Es ist ja nur, weil ich mit dir ja ohnedies in Verrechnung bin.«
»Muß man ins Kaffeehaus gehen?« fragte der alte Rosner einfach, ohne
aufzublicken.
»Also es handelt sich nicht ums Kaffeehaus. Es ist überhaupt… Ihr könnt
mir’s glauben, daß es mir selber lieber wär, wenn ich euch nicht anpumpen
müßt’. Aber was soll der Mensch tun?«
»Arbeiten soll der Mensch«, sagte der alte Rosner leise und schmerzlich,
und seine Augen röteten sich. Die Frau warf einen traurigen und strafenden
Blick auf den Sohn.
»Also«, sagte Josef, knöpfte den Bureaujanker auf und wieder zu, »das ist
doch wirklich… wegen jedem Guldenzettel… «
»Pst«, sagte Frau Rosner mit einem Blick gegen die angelehnte Tür, durch
die jetzt, nachdem der Gesang Annas geendet, nur das gedämpfte Klavierspiel
Georgs hereinklang.
Josef beantwortete den Blick der Mutter mit einer wegwerfenden
Handbewegung: »Arbeiten soll ich, sagt der Papa. Als ob ich’s nicht schon
bewiesen hätte, daß ich’s kann.« Er sah zwei fragende Augenpaare auf sich
gerichtet. »Jawohl hab ich’s bewiesen, und wenn es nur auf meinen guten
Willen ankäm, hätt’ ich überall mein Auskommen gehabt. Aber ich hab halt
nicht das Temperament, mir was gefallen zu lassen, ich laß mich nicht
ausschreien von meine Chefs, wenn ich mich einmal eine Viertelstunde
verspäten tu… oder so was.«
»Die Geschichte kennen wir«, unterbrach ihn Herr Rosner müde. »Aber
schließlich, weil wir schon davon sprechen, du wirst dich ja doch wieder um
irgendwas umschauen müssen.«
»Umschauen… gut… «,erwiderte Josef. »Aber zu einem Juden bringt mich
keiner mehr ins Geschäft. Das würde mich bei meinen Bekannten… jawohl in
meinem ganzen Kreis würde mich das lächerlich machen.«
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik