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Der Weg ins Freie
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»Ach so… Jetzt kann ich mir ungefähr denken, was Sie meinen, Herr Doktor… Aber was für einen Anlaß hatte das Parlament, sich mit ihr zu beschäftigen?« »Ach ja. Im vorigen Jahre – zur Zeit des großen Kohlenstreikes – hielt Therese Golowski in irgend einem böhmischen Nest eine Rede, die eine angeblich verletzende Äußerung gegen ein Mitglied des kaiserlichen Hauses enthielt. Sie wurde angeklagt und freigesprochen. Man könnte daraus vielleicht schließen, daß die Anschuldigung nicht besonders haltbar gewesen sein dürfte. Trotzdem meldete der Staatsanwalt die Berufung an, ein anderes Gericht wurde designiert und Therese zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, die sie übrigens soeben absitzt. Und damit nicht genug, wurde der Richter, der sie in erster Instanz freisprach, versetzt… irgendwohin an die russische Grenze, von wo es keine Wiederkehr gibt. Nun, über diesen Fall haben wir eine Interpellation eingebracht, sehr zahm meiner Ansicht nach. Der Minister erwiderte, ziemlich heuchlerisch, unter dem Jubel der sogenannten staatserhaltenden Parteien. Ich habe mir erlaubt, darauf zu replizieren, vielleicht etwas energischer, als man es bei uns gewohnt ist; und da man von den gegnerischen Bänken aus nichts Sachliches erwidern konnte, hat man versucht, mich mit schreien und schimpfen tot zu machen. Und was das kräftigste Argument einer gewissen Sorte von Staatserhaltern gegen meine Ausführungen war, können Sie sich ja denken, Herr Baron.« »Nun?« fragte Georg. »Jud halts Maul«, erwiderte Berthold mit schmal gewordenen Lippen. »O«, sagte Georg verlegen und schüttelte den Kopf. »Ruhig Jud! Halts Maul! Jud! Jud! Kusch!« fuhr Berthold fort und schien in der Erinnerung zu schwelgen. Anna sah vor sich hin. Georg fand innerlich, es wäre nun genug. Ein kurzes, peinliches Schweigen entstand. »Also darum?« fragte Anna langsam. »Wie meinen Sie?« fragte Berthold. »Darum legen Sie das Mandat nieder?« Berthold schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein, nicht darum.« »Herr Doktor sind über diese rohen Insulte gewiß erhaben«, sagte Herr Rosner. »Das will ich nicht eben behaupten«, erwiderte Berthold. »Aber immerhin mußte man auf dergleichen gefaßt sein. Der Grund meiner Mandatsniederlegung ist ein anderer.« 22
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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