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Der Weg ins Freie
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uns eines Irrtums zu schämen, statt ihn einzugestehen und unser Leben einfach neu zu gestalten.« Berthold erklärte, daß er in spätestens acht Tagen abreisen wolle. Jeder weitere Aufschub hätte keinen Sinn. Es wäre auch möglich, daß er nicht in Paris bliebe. Seine Studien konnten eine weitere Reise notwendig machen. Ferner war er entschlossen, alle Abschiedsbesuche zu unterlassen; wie er hinzusetzte, hatte er ohndies allen Verkehr früherer Jahre in gewissen bürgerlichen Kreisen, wo sein Vater eine ausgebreitete Praxis übte, vollkommen aufgegeben. »Sind wir uns denn nicht diesen Winter einmal bei Ehrenbergs begegnet?« fragte Georg mit einiger Genugtuung. »Das ist richtig«, erwiderte Berthold. »Mit Ehrenbergs sind wir übrigens entfernt verwandt. Das Bindeglied zwischen uns ist merkwürdigerweise die Familie Golowski. Jeder Versuch, Ihnen das näher zu erklären, Herr Baron, wäre vergeblich. Ich müßte sie eine Wanderung durch die Standesämter und Kultusgemeinden von Temesvar, Tarnopol und ähnlichen angenehmen Ortschaften unternehmen lassen – und das möcht ich Ihnen doch nicht zumuten.« »Und übrigens«, fügte der alte Doktor Stauber resigniert hinzu, »weiß der Herr Baron gewiß, daß alle Juden miteinander verwandt sind.« Georg lächelte liebenswürdig. In Wirklichkeit aber war er eher enerviert. Seiner Empfindung nach bestand durchaus keine Notwendigkeit, daß auch der alte Doktor Stauber ihm offizielle Mitteilung von seiner Zugehörigkeit zum Judentum machte. Er wußte es ja, und er nahm es ihm nicht übel. Er nahm es überhaupt keinem übel; aber warum fingen sie denn immer selbst davon zu reden an? Wo er auch hinkam, er begegnete nur Juden, die sich schämten, daß sie Juden waren, oder solchen, die darauf stolz waren, und Angst hatten, man könnte glauben, sie schämten sich. »Gestern hab ich übrigens die alte Golowski gesprochen”, fuhr Doktor Stauber fort. »Die arme Frau«, sagte Herr Rosner. »Wie gehts ihr denn?« fragte Anna. »Wie wirds ihr gehen… Sie können sich denken… die Tochter eingesperrt, der Sohn Freiwilliger auf Staatskosten, wohnt in der Kaserne… Stellen Sie sich das vor, Leo Golowski als Patriot… Und der Alte sitzt im Kaffeehaus und schaut zu, wie die andern Leut Schach spielen. Er selbst hat doch nicht mehr die zehn Kreuzer, um das Spielgeld zu zahlen.« 26
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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