Page - 33 - in Der Weg ins Freie
Image of the Page - 33 -
Text of the Page - 33 -
gewußt hatte. Else freilich hatte gleich Heinrichs Partei genommen, ihn für
einen interessanten und manchmal sogar liebenswürdigen Menschen erklärt
und Georg prophezeit, er würde über kurz oder lang mit ihm gut Freund
werden. Und tatsächlich war in Georg, zum mindesten von jenem Gespräch
heuer im Frühjahr nachts auf der Ringstraßenbank, eine gewisse Sympathie
für Bermann zurückgeblieben, die bis zum heutigen Abend vorgehalten hatte.
Längst waren sie an den letzten Gasthäusern vorbei. Neben ihnen lief die
weiße Fahrstraße einsam und gerade zwischen den Bäumen in die Nacht
hinaus, und sehr entfernte Musik tönte nur mehr in abgerissenen Klängen zu
ihnen her.
»Wohin denn noch«, rief Heinrich plötzlich aus, als hätte man ihn wider
Willen hierher geschleppt, und blieb stehen.
»Ich kann wirklich nichts dafür«, bemerkte Georg einfach.
»Entschuldigen Sie«, sagte Heinrich.
»Sie waren so sehr in Gedanken vertieft«, entgegnete Georg kühl.
»Vertieft will ich eben nicht sagen. Aber es passiert einem manchmal, daß
man sich so in sich selbst verliert.«
»Ich kenne das«, meinte Georg ein wenig versöhnt.
»Man hat Sie übrigens im August auf dem Auhof erwartet«, sagte Heinrich
plötzlich.
»Erwartet? Frau Ehrenberg war wohl so freundlich, mich einmal
einzuladen, aber ich hatte keineswegs zugesagt. Haben Sie sich längere Zeit
dort aufgehalten, Herr Bermann?«
»Längere Zeit, nein. Ich war einige Male oben, aber immer nur auf ein paar
Stunden.«
»Ich dachte, Sie hätten oben gewohnt.«
»Keine Idee. Ich hab’ unten im Gasthof logiert. Ich bin nur gelegentlich
hinauf gekommen. Es ist mir dort zu laut und bewegt… das Haus wimmelt ja
von Besuchen. Und die Mehrzahl der Leute, die dort verkehren, kann ich
nicht ausstehen.«
Ein offener Fiaker, in dem ein Herr und eine Dame saßen, fuhr an ihnen
vorüber.
»Das war ja Oskar Ehrenberg«, sagte Heinrich.
»Und die Dame?« fragte Georg und sah etwas Hellem nach, das durch die
Dunkelheit leuchtete.
33
back to the
book Der Weg ins Freie"
Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik