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Der Weg ins Freie
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Der Gasthausgarten, in den sie eintraten, war ziemlich leer. Heinrich und Georg nahmen in einer kleinen Laube, nächst dem grünen Staketgitter, Platz und bestellten ihr Nachtmahl. Heinrich lehnte sich zurück, streckte seine Beine aus, betrachtete Georg, der beharrlich schwieg, mit prüfenden, fast spöttischen Augen und sagte plötzlich: »Ich glaube mich übrigens nicht zu irren, wenn ich annehme, daß Ihnen die Sachen, die ich bisher gemacht habe, nicht gerade ans Herz gewachsen sind.« »O«, erwiderte Georg und errötete ein wenig, »wie kommen Sie zu dieser Ansicht?« »Nun ich kenne meine Stücke… und kenne Sie.« »Mich?« fragte Georg beinahe verletzt. »Gewiß«, erwiderte Heinrich überlegen. »Übrigens habe ich den meisten Menschen gegenüber diese Empfindung und halte diese Fähigkeit sogar für meine einzige absolute, unzweifelhafte. Alle übrigen sind ziemlich problematisch, find’ ich. Insbesondere ist meine sogenannte Künstlerschaft etwas durchaus mäßiges, und auch gegen meine Charaktereigenschaften wäre manches einzuwenden. Das einzige, was mir eine gewisse Sicherheit gibt, ist eigentlich nur das Bewußtsein, in menschliche Seelen hineinschauen zu können… tief hinein, in alle, in die von Schurken und ehrlichen Leuten, in die von Frauen und Männern und Kindern, in die von Heiden, Juden, Protestanten, ja selbst in die von Katholiken, Adeligen und Deutschen, obwohl ich gehört habe, daß gerade das für unsereinen so unendlich schwer, oder sogar unmöglich sein soll.« Georg zuckte leicht zusammen. Er wußte, daß Heinrich insbesondere bei Gelegenheit seines letzten Stückes von konservativen und klerikalen Blättern persönlich aufs heftigste angegriffen worden war. Aber was geht das mich an, dachte Georg. Schon wieder einer, den man beleidigt hat! Es war wirklich absolut ausgeschlossen, mit diesen Leuten harmlos zu verkehren. Höflich, fremd, in einer ihm selbst kaum bewußten Erinnerung an die Erwiderung des alten Herrn Rosner gegenüber dem jungen Doktor Stauber, äußerte er: »Eigentlich dachte ich mir, daß Menschen wie Sie – über Angriffe von jener Art, auf die Sie offenbar anspielen, erhaben wären.« »So… dachten Sie das?« fragte Heinrich in dem kalten, beinahe abstoßenden Ton, der ihm manchmal eigen war. »Nun«, fuhr er milder fort, »zuweilen stimmt es ja. Aber leider nicht immer. Es braucht nicht viel dazu, um die Selbstverachtung aufzuwecken, die stets in uns schlummert; und wenn das einmal geschehen ist, gibt es keinen Tropf und keinen Schurken, mit dem wir uns nicht innerlich gegen uns selbst verbünden. Entschuldigen Sie, wenn 35
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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