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»Du bist also vollkommen entschlossen?«
»Absolut. In der Statthalterei zu bleiben hat wirklich keinen Sinn für mich.
Je länger ich drin sitz’, umso klarer wird mir das. Die Zeit wird übrigens nicht
verloren sein. Sie haben’s gar nicht ungern, wenn einer ein paar Jahre internen
Dienst gemacht hat.«
»Da wirst du also wahrscheinlich schon im Herbst von Wien fortgehen?«
»Es ist anzunehmen.«
»Und wo werden sie dich hinschicken?«
»Ja, wenn man das schon wüßte.«
Georg sah vor sich hin. So nahe also war der Abschied! Doch warum
berührte ihn das plötzlich so sehr?… Er selbst war ja entschlossen
fortzugehen, und erst neulich hatte er mit dem Bruder von seinen Absichten
fürs nächste Jahr geredet. Glaubte der noch immer nicht an ihren Ernst? Wenn
man sich doch wieder einmal mit ihm aussprechen könnte, brüderlich,
herzlich wie an jenem Abend nach des Vaters Begräbnis. Wahrhaftig, nur
wenn das Leben ihnen düster sich enthüllte, fanden sie ganz zueinander. Sonst
blieb immer diese seltsame Befangenheit zwischen ihnen beiden. Das konnte
offenbar nicht anders werden. Man mußte sich eben bescheiden, miteinander
plaudern, in der Art von guten Bekannten. Und wie resigniert fragte Georg
weiter: »Was hast du denn am Abend gemacht?«
»Ich habe mit Guido soupiert und einer interessanten jungen Dame.«
»So?«
»Er ist nämlich wieder in zarten Banden.«
»Wer ist’s denn?«
»Konservatorium, Jüdin, Geige. Aber sie hat sie nicht mitgehabt. Nicht
besonders hübsch, aber g’scheit. Sie bildet ihn, und er achtet sie. Er will, sie
soll sich taufen lassen. Ein komisches Verhältnis, sag ich dir. Du hättest dich
ganz gut unterhalten.«
Georg hatte seinen Blick auf den Degen gerichtet, den Felician noch immer
in der Hand hielt. »Hättest du Lust, noch ein bißchen zu manschettieren?«
fragte er.
»Warum nicht?« erwiderte Felician und holte ein zweites Florett aus
seinem Zimmer. Indes hatte Georg den großen Tisch aus der Mitte an die
Wand gerückt.
»Seit dem Mai hab ich keines in der Hand gehabt«, sagte er, indem er den
Degen ergriff. Sie legten die Röcke ab und kreuzten die Klingen. In der
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik