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glauben, es gibt für uns keinen andern Ausweg.«
»Für uns?« wiederholte Nürnberger. »Ich habe bisher nicht die
Beobachtung gemacht, daß Ihnen der Antisemitismus auffallend geschadet
hätte.«
»Sie meinen, weil ich ein reicher Mann geworden bin? Wenn ich Ihnen
sagen möcht, ich mach mir nichts aus dem Geld, würden Sie mir natürlich
nicht glauben, und Sie hätten Recht. Aber wie Sie mich da sehen, ich schwör
Ihnen, die Hälfte von meinem Vermögen gäb ich her, wenn ich die ärgsten
von unsern Feinden am Galgen säh.«
»Ich fürchte nur«, bemerkte Nürnberger, »Sie würden die Unrichtigen
hängen lassen.«
»Die Gefahr ist nicht groß«, erwiderte Ehrenberg, »greifen Sie daneben,
erwischen Sie auch einen.«
»Ich bemerke nicht zum erstenmal, lieber Herr Ehrenberg, daß Sie dieser
Frage nicht mit der wünschenswerten Objektivität gegenüberstehen.«
Ehrenberg zerbiß plötzlich seine Zigarre und legte sie mit wutzitternden
Fingern auf die Aschenschale. »Wenn mir einer damit kommt… und gar…
entschuldigen Sie… oder sind Sie vielleicht getauft… ? Man kann ja
heutzutag nicht wissen.«
»Ich bin nicht getauft«, erwiderte Nürnberger ruhig. »Aber allerdings bin
ich auch nicht Jude. Ich bin längst konfessionslos geworden; aus dem
einfachen Grunde, weil ich mich nie als Jude gefühlt habe.«
»Wenn man Ihnen einmal den Zylinder einschlage auf der Ringstraße, weil
Sie, mit Verlaub, eine etwas jüdische Nase haben, werden Sie sich schon als
Jude getroffen fühlen, verlassen Sie sich darauf.«
»Aber Papa, was regst du dich denn so auf«, sagte Else und strich ihm über
den kahlen, rötlich glänzenden Schädel.
Der alte Ehrenberg nahm ihre Hand, streichelte sie und fragte scheinbar
ganz unvermittelt: »Werd ich übrigens noch das Vergnügen haben, meinen
Herrn Sohn zu sehen, bevor ich abreise?«
Frau Ehrenberg antwortete: »Oskar kommt jedenfalls bald nach Hause.«
»Es wird Sie sicher freuen zu erfahren«, wandte sich Ehrenberg an
Nürnberger, »daß auch mein Sohn Oskar ein Antisemit ist.«
Frau Ehrenberg seufzte leise. »Es ist eine fixe Idee von ihm«, sagte sie zu
Nürnberger. »Überall sieht er Antisemiten, selbst in der eigenen Familie.«
»Das ist die neueste Nationalkrankheit der Juden«, sagte Nürnberger. »Mir
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik