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Der Weg ins Freie
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Page - 56 - in Der Weg ins Freie

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Gesellschaft.« Heinrich, einen Arm auf dem geschlossenen Klavierdeckel, sprach mit Else. »Sie waren also doch in Deutschland?« fragte sie. »Ja«, erwiderte Heinrich, »es ist schon ziemlich lange her, vier, fünf Wochen.« »Und wann fahren Sie wieder hin?« »Das weiß ich nicht. Vielleicht nie.« »Ach, das glauben Sie selbst nicht. – Was arbeiten Sie?« setzte sie rasch hinzu. »Allerlei«, entgegnete er. »Ich bin in einer ziemlich unruhigen Zeit. Ich entwerfe viel, aber ich mache nichts fertig. Das Vollenden interessiert mich überhaupt selten. Offenbar bin ich innerlich zu rasch fertig mit den Dingen.« »Und den Menschen«, fügte Else bei. »Mag sein. Es ist nur das Unglück, daß das Gefühl zuweilen an Menschen weiter hängen bleibt, während der Verstand schon längst nichts mehr mit ihnen zu tun hat. Ein Dichter – wenn Sie mir das Wort gestatten – müßte sich von jedem zurückziehen, der für ihn kein Rätsel mehr hat… also besonders von jedem, den er liebt.« »Es heißt doch«, wandte Else ein, »daß wir gerade diejenigen am wenigsten kennen, die wir lieben.« »Das behauptet Nürnberger, aber es stimmt nicht ganz. Wäre es wirklich so, liebe Else, dann wäre das Leben wahrscheinlich schöner, als es ist. Nein, diejenigen, die wir lieben, kennen wir sogar besser als wir andere kennen, – nur kennen wir sie mit Scham, mit Erbitterung und mit der Furcht, daß auch andre sie ebensogut kennen als wir. Lieben heißt: Angst davor haben, daß andern die Fehler offenbar werden, die wir an dem geliebten Wesen entdeckt haben. Lieben heißt: in die Zukunft schauen können und diese Gabe verfluchen… lieben heißt: jemanden so kennen, daß man daran zugrunde geht.« Else lehnte am Klavier, in ihrer damenhaft-kindlichen Art, neugierig gelassen, und hörte ihm zu. Wie gut gefiel er ihr in solchen Augenblicken. Sie hätte ihm wieder tröstend übers Haar streichen wollen wie damals auf dem See, als er von der Liebe zu jener andern wie zerrissen war. Aber wenn er sich dann plötzlich zurückzog, kühl, trocken und wie ausgelöscht erschien, da fühlte sie, daß sie mit ihm nie leben könnte, daß sie ihm nach ein paar Wochen davonlaufen müßte… mit einem spanischen Offizier oder einem 56
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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