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Georg schüttelte den Kopf.
»Nicht einmal seinen Roman, der vor fünfzehn oder sechzehn Jahren so
großes Aufsehen gemacht hat? Das ist ja beinah eine Schand! Neulich haben
wir ihn dem Hofrat Wilt geliehen. Ich sag Ihnen, der war paff, wie in dem
Buch eigentlich schon das ganze heutige Österreich vorausgeahnt ist.«
»So, so«, sagte Georg ohne Überzeugung.
»Sie können sich gar nicht vorstellen«, fuhr Frau Ehrenberg fort, »mit
welchem Jubel Nürnberger damals begrüßt worden ist. Man könnte sagen,
alle Tore sind vor ihm aufgesprungen.«
»Vielleicht war ihm das genug«, bemerkte Else nachdenklich altklug.
Heinrich stand am Klavier im Gespräch mit Nürnberger und bemühte sich,
wie er es oftmals tat, ihn zu einer neuen Arbeit oder zu einer Herausgabe
älterer Schriften zu bestimmen.
Nürnberger wehrte ab. Der Gedanke, seinen Namen wieder in die
Öffentlichkeit gezerrt zu sehen, im literarischen Wirbel der Zeit mitzutreiben,
der ihm widerlich und albern zugleich erschien, erfüllte ihn geradezu mit
Schaudern. Er hatte keine Lust, da mit zu konkurrieren. Wozu?
Cliquenwirtschaft, die sich kein Mäntelchen mehr umnahm, war überall am
Werke. Gab es noch ein tüchtig, ehrlich strebendes Talent, das nicht jeden
Augenblick gefaßt sein mußte, in den Kot gezogen zu werden; war noch ein
Flachkopf zu finden, der sich nicht ausweisen konnte, in irgend einem
Blättchen als Genie erklärt worden zu sein? Hatte Ruhm in diesen Tagen noch
das geringste mit Ehre zu tun? Und übersehen, vergessen werden, war das
auch nur ein Achselzucken des Bedauerns wert? Und wer konnte am Ende
wissen, welche Urteile sich in der Zukunft als die richtigen erweisen würden?
Waren nicht die Tröpfe wirklich die Genies und die Genies die Tröpfe? Es
war lächerlich, sich mit dem Einsatz seiner Ruhe ja seiner Selbstachtung in
ein Spiel einzulassen, in dem auch der höchstmögliche Gewinn keine
Befriedigung versprach.
»Gar keine?« fragte Heinrich. »Ich will Ihnen ja allerlei preisgeben, Ruhm,
Reichtum, Wirkung in die Weite; – aber daß man, weil alle diese Güter
zweifelhaft sind, auch auf etwas so Unzweifelhaftes verzichten soll, wie es
die Augenblicke des innern Kraftgefühls sind… «
»Inneres Kraftgefühl! Warum sagen Sie nicht gleich Seligkeit des
Schaffens?… «
»Gibts, Nürnberger!«
»Mag sein. Ich glaube mich sogar zu erinnern, vor sehr langer Zeit
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik