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Der Weg ins Freie
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Mann war nur von der Milde des Tags, dem Frieden der Landschaft wie berauscht; in der Tiefe der Seele war auch der ihm feindselig gesinnt, gleich all den andern, die so harmlos an ihm vorbeispazierten. Und er verstand es wieder einmal selbst nicht recht, warum der Anblick dieser sanft-bewegten Hügel, dieser verdämmernden Stadt ihn so schmerzlich süß ergriff, da ihm doch die Menschen, die hier zu Hause waren, so wenig und selten etwas Gutes bedeuteten. Der Radfahrklub sauste über die nahe Straße, die umgehängten Röcke wehten, die Embleme leuchteten, und ein rohes Lachen schallte über die Wiese. »Gräßliches Volk«, meinte Leo beiläufig, ohne den Platz zu verändern. Heinrich wies mit einer unbestimmten Kopfbewegung nach unten. »Und solche Kerle«, sagte er mit zugepreßten Zähnen, »bilden sich dann noch ein, daß sie da eher zu Hause sind als unsereiner.« »Nun ja«, entgegnete Leo ruhig, »da werden sie wohl nicht so unrecht haben, diese Kerle.« Heinrich wandte sich höhnisch zu ihm: »Verzeihen Sie, Leo, ich vergaß einen Augenblick, daß Sie selbst den Wunsch hegen, nur als geduldet zu gelten.« »Das wünsche ich keineswegs«, erwiderte Leo lächelnd, »und Sie brauchen mich nicht gleich so boshaft mißzuverstehen. Aber daß diese Leute sich als die Einheimischen ansehen und Sie und mich als die Fremden, das kann man ihnen doch nicht übel nehmen. Das ist doch schließlich nur der Ausdruck ihres gesunden Instinktes für eine anthropologisch und geschichtlich feststehende Tatsache. Dagegen und daher auch gegen alles, was daraus folgt, ist weder mit jüdischen noch mit christlichen Sentimentalitäten etwas auszurichten.« Und sich zu Georg wendend, fragte er in allzu verbindlichem Ton: »Finden Sie nicht auch?« Georg errötete, räusperte, kam aber nicht dazu zu erwidern, da Heinrich, auf dessen Stirn zwei tiefe Falten erschienen, sofort erbittert das Wort nahm: »Mein Instinkt ist mir mindestens ebenso maßgebend wie der der Herren Jalaudek junior und senior, und dieser Instinkt sagt mir untrüglich, daß hier, gerade hier meine Heimat ist und nicht in irgend einem Land, das ich nicht kenne, das mir nach den Schilderungen nicht im geringsten zusagt und das mir gewisse Leute jetzt als Vaterland einreden wollen, mit der Begründung, daß meine Urahnen vor einigen tausend Jahren gerade von dort aus in die Welt verstreut worden sind. Wozu noch zu bemerken wäre, daß die Urahnen des Herrn Jalaudek, und selbst die unseres Freundes, des Freiherrn von Wergenthin, gerade so wenig hier zu Hause gewesen sind, als die meinen und 82
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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