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Der Weg ins Freie
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bei Menschen, denen die Politik nicht zugleich Beruf oder Geschäft ist? Nehmen sie den geringsten Einfluß auf die Lebensführung, auf die Gestaltung des Daseins? Sowohl Sie, Leo, als ich, wir beide werden nie etwas anderes tun, nie etwas anderes tun können, als eben das leisten, was uns innerhalb unseres Wesens und unserer Fähigkeiten zu leisten gegeben ist. Sie werden in Ihrem Leben nicht nach Palästina auswandern, selbst wenn der Judenstaat gegründet und Ihnen sofort eine Ministerpräsidenten- oder wenigstens Hofpianistenstelle angetragen würde –.« »O das können Sie nicht wissen«, unterbrach ihn Leo. »Ich weiß es ganz bestimmt«, sagte Heinrich. »Dafür gesteh ich Ihnen ja auch zu, daß ich mich trotz meiner vollkommenen Gleichgültigkeit gegen jegliche Religionsform nie und nimmer werde taufen lassen, selbst wenn es möglich wäre – was ja heute weniger der Fall ist als je – durch solch einen Trug antisemitischer Beschränktheit und Schurkerei für alle Zeit zu entrinnen.« »Hm«, sagte Leo, »aber wenn die Scheiterhaufen wieder angezündet werden… ?« »Für diesen Fall«, entgegnete Heinrich, »dazu verpflichte ich mich hiermit feierlich, werde ich mich vollkommen nach Ihnen richten.« »O«, wandte Georg ein, »diese Zeiten kommen doch nicht mehr wieder.« Die andern mußten lachen, daß Georg sie durch diese Worte, wie Heinrich bemerkte, im Namen der gesamten Christenheit über ihre Zukunft zu beruhigen so liebenswürdig wäre. Sie hatten indessen die Wiese durchquert. Georg und Heinrich schoben ihre Räder auf dem holprigen Karrenweg vorwärts, Leo ihnen zur Seite, in wehendem Mantel, ging auf dem Rasen hin. Alle schwiegen eine ganze Weile, wie ermüdet. Wo der schlechte Weg in die breite Straße mündete, blieb Leo stehen und sagte: »Hier werden wir uns leider trennen müssen.« Er streckte Georg die Hand entgegen und lächelte. »Sie müssen sich heute nicht übel gelangweilt haben«, sagte er. Georg errötete. »Na hören Sie, Sie halten mich doch für etwas… « Leo hielt Georgs Hand fest. »Ich halte Sie für einen sehr klugen und auch für einen sehr guten Menschen. Glauben Sie mir das?« Georg schwieg. »Ich möchte wissen«, fuhr Leo fort, »ob Sie mir das glauben, Georg, es liegt mir daran.« Sein Ton bekam etwas wahrhaft Herzliches. »Ja natürlich glaub ich es Ihnen«, erwiderte Georg, noch immer etwas 86
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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