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Der Weg ins Freie
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Anna antwortete nicht. »Also«, berichtete Georg, »ich kann dir die Mitteilung machen, daß man ihn im Herbst für den Landtag kandidieren will, was ich übrigens sehr begreiflich finde, mit Rücksicht auf seine glänzenden Rednergaben.« »Was weißt denn du! Hast du ihn schon sprechen gehört?« »Natürlich, erinnerst du dich denn nicht! In Eurer Wohnung!« »Du hast’s wirklich nicht notwendig, dich über ihn lustig zu machen.« »Aber das fällt mir ja gar nicht ein.« »Ich hab’s ja gleich bemerkt, er ist dir damals ein bißchen komisch vorgekommen. Er, und sein Vater auch. Du hast ja geradezu die Flucht ergriffen vor ihnen.« »Ganz und gar nicht, Anna. Du tust sehr unrecht, mir solche Dinge zu insinuieren.« »Sie mögen ja ihre Schwächen haben, beide, aber sie gehören wenigstens zu den Menschen, auf die man sich verlassen kann. Das ist auch etwas.« »Hab ich das bestritten, Anna? Wahrhaftig, niemals hab ich dich so unlogisch reden gehört. Was willst du denn eigentlich von mir? Hätt ich vielleicht eifersüchtig werden sollen wegen dieses Briefes?« »Eifersüchtig? Das fehlte noch, du mit deiner Vergangenheit.« Georg zuckte die Achseln. In seinem Geist tauchten Erinnerungen auf, an ähnliche Wortzwiste im Verlaufe früherer Beziehungen, an jene plötzlichen rätselhaften Uneinigkeiten und Entfremdungen, die meist nichts anderes zu bedeuten gehabt hatten, als den Anfang vom Ende. Sollte er mit seiner klugen, guten Anna heute wirklich schon so weit sein? Verstimmt, beinahe traurig ging er im Zimmer auf und ab. Zuweilen warf er einen flüchtigen Blick nach der Geliebten, die schweigend in ihrer Diwanecke saß und leicht die Hände aneinanderrieb, als wäre ihr kalt. In das Schweigen des mit einmal trübselig gewordenen Raums klang die Orgel schwerer als zuvor, singende Menschenstimmen wurden vernehmbar, und die Fensterscheiben klirrten leise. Georgs Blick fiel auf den kleinen Weihnachtsbaum, der auf der Kommode stand und dessen Kerzen vorgestern Abend für ihn und Anna gebrannt hatten. Halb gelangweilt, halb zerstreut nahm er Zündhölzchen aus der Tasche und begann die kleinen Kerzen eine nach der andern anzuzünden. Da klang plötzlich Annas Stimme zu ihm her: »In einer ernsten Sache«, sagte sie langsam, »würde ich mich doch keinem andern anvertrauen, als dem alten Doktor Stauber.« Befremdet wandte sich Georg nach ihr um, und blies ein brennendes 97
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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