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Der Weg ins Freie
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»Wieso?« rief Winternitz. »Fragen Sie sich doch nur selber aufs Gewissen, ob dieses ›hei‹ ehrlich empfunden ist. Alles übrige, was Sie mir da vorgelesen haben, glaub ich Ihnen. Das heißt, ich glaub es Ihnen in höherm Sinn, obzwar kein Wort davon wahr ist. Ich glaube Ihnen, daß Sie ein fünfzehnjähriges Mädchen verführen, daß Sie sich benehmen wie ein ausgepichter Don Juan, daß Sie das arme Geschöpf in der furchtbarsten Weise verderben, daß es Sie mit einem,… was war er nur… « »Ein Clown natürlich«, rief Winternitz mit wahnwitzigem Lachen. »Daß es Sie mit einem Clown betrügt, daß Sie durch dieses Geschöpf in immer dunklere Abenteuer geraten, daß Sie die Geliebte, ja sich selber umbringen wollen, daß Ihnen die Geschichte schließlich egal wird, daß Sie durch die Welt reisen, oder sogar jagen, meinetwegen bis Australien, ja, das alles glaub ich Ihnen, aber daß Sie der Mensch sind ›hei‹ zu rufen, das, lieber Winternitz, das ist einfach ein Schwindel.« Winternitz verteidigte sich. Er beschwor, daß dieses »hei« aus seinem innersten Wesen hervorgegangen wäre, zum mindesten aus einem gewissen Element seines innersten Wesens. Auf weitere Einwände Heinrichs zog er sich allmählich zurück und erklärte endlich, daß er sich irgendeinmal bis zu jener innern Freiheit durchzuringen hoffe, die ihm gestatten würde »hei« zu rufen. »Niemals wird diese Zeit kommen«, entgegnete Heinrich bestimmt. »Sie werden vielleicht einmal bis zum epischen oder dramatischen ›hei‹ kommen, das lyrisch subjektive ›hei‹ bleibt Ihnen, bleibt unsereinem, mein lieber Winternitz, doch bis in alle Ewigkeit versagt.« Winternitz versprach das letzte Gedicht zu ändern, sich überhaupt weiter zu entwickeln und an seiner innern Reinigung zu arbeiten. Er stand auf, wobei seine gestärkte Hemdbrust knackte und ein Knopf aufsprang, reichte Heinrich und Georg eine etwas feuchte Hand und begab sich in den Hintergrund an den Tisch der Literaten. Georg äußerte sich vorsichtig anerkennend zu Heinrich über die Gedichte, die er gehört hatte. »Er ist mir noch der liebste von der ganzen Gesellschaft, persönlich wenigstens«, sagte Heinrich. »Er weiß doch wenigstens innerlich eine gewisse Distanz zu wahren. Ja. Sie brauchen mich nicht gleich wieder anzusehen, als wenn Sie mich auf einem Anfall von Größenwahn ertappten. Aber ich kann Sie versichern, Georg, von der Sorte Leute«, er streifte den Tisch drüben mit einem flüchtigen Blick, »denen immer ein ›ä soi‹ auf den Lippen schwebt, hab ich nachgerade genug.« 116
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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