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Der Weg ins Freie
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Ich bin beschäftigt, die Nichtigkeit von Nichtigkeiten nachzuweisen.« »Du könntest dir ja Abwechslung verschaffen, Rapp«, sagte Heinrich. »Versuch einmal dein Glück und preise die Herrlichkeit der Herrlichkeiten.« »Wozu?« sagte Rapp und setzte den Zwicker auf. »Die beweist sich selbst im Laufe der Zeit. Aber die Stümperei erlebt meist nur ihr Glück und ihren Ruhm, und wenn ihr die Welt endlich auf den Schwindel kommt, hat sie sich längst in ihr Grab oder… in ihre vermeintliche Unsterblichkeit geflüchtet.« Sie standen auf der Straße und schlugen alle die Rockkragen auf, da es wieder heftig zu schneien begonnen hatte. Gleißner, der vor ein paar Wochen seinen ersten, großen Theatererfolg erlebt hatte, erzählte geschwind, daß auch die heutige siebente Vorstellung seines Werkes ausverkauft gewesen war. Rapp knüpfte daran hämische Bemerkungen über die Dummheit des Publikums. Gleißner erwiderte mit Späßen über die Machtlosigkeit der Kritik gegenüber dem wahren Genie; – und so spazierten sie davon, mit aufgestellten Kragen, durch den Schnee, ganz eingehüllt in den dampfenden Haß ihrer alten Freundschaft. »Dieser Rapp hat kein Glück«, sagte Heinrich zu Georg. »Bei allen seinen Freunden, denen er vor zehn Jahren Erfolg prophezeit hat, trifft es nun wirklich ein. Er wird es auch Gleißner nicht verzeihen, daß der ihn nicht enttäuscht hat.« »Halten Sie ihn für so neidisch?« »Das kann man nicht einmal sagen. So einfach liegen ja die Dinge selten, daß sie mit einem Wort abzutun wären. Aber bedenken Sie doch nur, was das für ein Los ist, in dem Glauben herumzugehen, daß man das tiefste Wissen von der Welt so gut in sich trägt wie Shakespeare und dabei zu fühlen, daß man nicht einmal so viel davon auszusprechen imstande ist, als beispielsweise Herr Gleißner, obwohl man vielleicht gerade so viel wert ist – oder mehr.« Sie gingen eine Zeitlang schweigend nebeneinander her. Die Bäume auf dem Ring standen starr mit weißen Ästen. Vom Rathausturm schlug es drei. Sie überschritten die menschenleere Straße und nahmen den Weg durch den stillen Park. Rings schimmerte es fast hell vom unablässig sinkenden Schnee. »Das neueste hab ich Ihnen übrigens noch nicht erzählt«, begann Heinrich endlich, vor sich hinschauend und in trockenem Ton. »Was denn?« »Daß ich nämlich anonyme Briefe bekomme, seit einiger Zeit.« »Anonyme Briefe? Welchen Inhalts?« »Nun, Sie können sich’s wohl denken.« 120
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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