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sich ihn nicht verderben lassen wollte. Und er bemühte sich, Nürnberger, der
es lächelnd anhörte, zu überzeugen, daß der sich nicht geirrt haben könnte
und daß mit dem seltsamen Mädchen, das in Cadenabbia begraben lag, eine
große Schauspielerin dahingegangen war…
Das Landhaus, das Georg suchte, fand er auch auf seinen Wanderungen mit
Nürnberger nicht; ja, von einem Mal zum andern, schien die Entdeckung
schwieriger zu werden. Nürnberger spottete wohl zuweilen über die schwer
erfüllbaren Ansprüche Georgs, der nach einer Villa zu suchen schien, an der
vorn die wohlgepflegte Straße vorbeiführen und die rückwärts eine Gartentüre
in den Urwald haben sollte. Schließlich glaubte Georg selbst nicht mehr
ernsthaft daran, daß es ihm jetzt gelingen würde, das erwünschte Haus zu
finden und verließ sich auf den Zwang des Findenmüssens nach der Rückkehr
von der Reise. Notwendiger erschien es, sich möglichst bald mit einem Arzt
ins Einvernehmen zu setzen; aber auch das verschob Georg von einem Tag
zum andern. Doch eines Abends teilte Anna ihm mit, daß sie, durch einen
neuen Ohnmachtsanfall in plötzliche Angst versetzt, Doktor Stauber besucht
und ihm ihren Zustand eröffnet hatte. Er war sehr herzlich gewesen, hatte
keinerlei Erstaunen ausgedrückt, sie in jeder Hinsicht vollkommen beruhigt
und nur den Wunsch geäußert, Georg vor der Abreise zu sprechen.
Ein paar Tage darauf folgte Georg der Einladung des Arztes. Die
Ordination war eben zu Ende. Doktor Stauber empfing ihn mit der
vorausgesehenen Freundlichkeit, schien die ganze Angelegenheit so
einwandfrei und natürlich als möglich zu finden und sprach von Anna nie
anders als von der jungen Frau, was Georg eigentümlich, aber nicht
unangenehm berührte. Als die sachlichen Erörterungen abgeschlossen waren,
erkundigte sich der Arzt nach dem Ziel der Reise. Georg hatte noch kein
Programm entworfen, nur so viel stand fest, daß das Frühjahr im Süden,
wahrscheinlich in Italien verbracht werden sollte. Doktor Stauber nahm Anlaß
von seinem letzten Aufenthalt in Rom zu erzählen, der zehn Jahre zurücklag.
Er war damals, wie schon früher einmal, mit dem Leiter der Ausgrabungen in
persönlichem Verkehr gestanden und sprach zu Georg in fast begeistertem
Ton von den neuesten Entdeckungen auf dem Palatin, über den er als junger
Mann selbst Studien gepflogen und in den Heften für Altertumsforschung
veröffentlicht hatte. Dann zeigte er Georg nicht ohne Stolz seine Bibliothek,
die in eine medizinische und in eine kunsthistorische geschieden war, und
trug ihm leihweise einige seltenere Bücher, eines aus dem Jahre 1834 über die
vatikanischen Sammlungen und eine Geschichte Siziliens an. Georg fühlte
sich höchst angeregt, während ihm so deutlich zum Bewußtsein kam, wie
reiche Tage ihm bevorstanden. Eine Art von Heimweh nach wohlbekannten
und lang entbehrten Gegenden überkam ihn, halbvergessene Bilder tauchten
wieder in ihm auf: die Pyramide des Cestius stand am Horizont, in den
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik