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Der Weg ins Freie
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schwermütigen Gesicht eines altklugen Kindes, fühlte Georg von ihrem Anblick sich wieder sonderbar gerührt. Er war heute nicht sehr befriedigt von seiner Ballade und sich wohl bewußt, daß er durch ein allzu ausdrucksvolles Spiel der Wirkung nachzuhelfen suchte. Hofrat Wilt trat leise ein und machte ein Zeichen, man möchte sich nur nicht stören lassen. Dann blieb er mit dem grauen, kurz gesträubten Kopfhaar, überlegen, gütig und lang neben der Tür an der Wand gelehnt stehen, bis Georg mit übertrieben klangvollen Akkorden den Vortrag endete. Man begrüßte einander. Wilt beglückwünschte Georg, daß er ein freier Mann war und jetzt in den Süden reisen durfte. »Ich kann das leider nicht«, fügte er hinzu, »und dabei hat man doch überdies zuweilen eine dunkle Ahnung, daß in Österreich nicht das geringste sich ändern würde, selbst wenn man ein Jahr lang sein Bureau nicht beträte.« Wie immer redete er von seinem Beruf und seinem Vaterland mit Ironie. Frau Ehrenberg entgegnete ihm, es gäbe ja doch keinen, der sein Vaterland mehr liebte und seinen Beruf ernster nähme, als gerade er. Er gab es zu. Für ihn aber bedeutete Österreich ein unendlich kompliziertes Instrument, das nur ein Meister richtig behandeln könnte und das nur deshalb so oft übel klänge, weil jeder Stümper seine Kunst daran versuche. »Sie werden solange darauf herumschlagen«, sagte er traurig, »bis alle Saiten zerspringen und der Kasten dazu.« Als Georg ging, begleitete ihn Else ins Vorzimmer. Sie hatte ihm noch ein paar Worte über seine Ballade zu sagen. Besonders der Mittelsatz hatte ihr gefallen. So innerlich glühend wäre er gewesen. Im übrigen wünschte sie ihm glückliche Reise. Er dankte ihr. »Also«, sagte sie plötzlich, während er schon den Hut in der Hand hielt, »nun heißt es wohl gewissen Träumen endgültigen Abschied geben.« »Welchen Träumen?« fragte er befremdet. »Den meinen selbstverständlich, die Ihnen nicht unbekannt geblieben sein dürften.« Georg war sehr überrascht. So deutlich war sie nie gewesen. Er lächelte befangen und suchte nach einer Antwort. »Was weiß man von der Zukunft«, sagte er endlich leicht. Sie runzelte die Stirn. »Warum sind Sie nicht wenigstens ehrlich zu mir, so wie ich zu Ihnen? Ich weiß ja, daß Sie nicht allein da hinunter reisen… Ich weiß auch, wer Sie begleitet… Ich weiß überhaupt alles. Gott, was hab ich denn nicht gewußt, seit wir uns kennen.« Und Georg hörte Schmerz und Zorn im Untergrund ihrer Worte beben. Und er wußte: wenn er sie doch einmal zur Frau nähme, sie würde ihn fühlen lassen, daß sie zu lange hatte auf ihn warten müssen. Er sah vor sich hin, 146
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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