Page - 168 - in Der Weg ins Freie
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schlugen hörbar an den Strand, Rufe der Schiffer tönten herauf, jenseits der
Mauer klang Gesang junger Leute. Vom Springbrunnen sprühten winzige
Tröpfchen her. Der Hauch des nahen Abends weckte Menschen, Land und
Wasser wieder auf.
Schritte tönten auf dem Kies. Therese, schlank und weiß, kam rasch die
Allee gegangen. Georg stand auf, ging ihr ein paar Schritte entgegen, reichte
ihr die Hand. Auch Anna wollte sich erheben, Therese ließ es nicht zu,
umarmte sie, gab ihr einen Kuß auf die Wange und setzte sich zu ihr. »Wie
schön ist es da!« rief sie aus. »Aber bin ich euch nicht zu früh gekommen?«
»Was fällt dir ein, ich freu mich ja so«, erwiderte Anna.
Therese betrachtete sie mit prüfendem Lächeln und ergriff ihre beiden
Hände.
»Na, dein Aussehen ist beruhigend«, sagte sie.
»Es geht mir auch sehr gut«, erwiderte Anna. »Und dir wie es scheint nicht
minder«, setzte sie mit freundlichem Spott hinzu.
Georgs Augen ruhten auf Therese, die wieder ganz weiß wie morgens,
diesmal noch eleganter, in englisches gesticktes Leinen gekleidet war und um
den freien Hals eine Schnur aus lichtrosa Korallen trug. Während die beiden
Frauen über den sonderbaren Zufall ihres Wiedersehens sprachen, erhob sich
Georg, um Aufträge für das Diner zu erteilen. Als er in den Garten
wiederkehrte, waren die beiden andern nicht mehr da. Er sah Therese auf dem
Balkon, den Rücken an das Geländer gelehnt, mit Anna reden, die unsichtbar,
in der Tiefe des Zimmers weilen mochte. In guter Stimmung spazierte er in
den Alleen hin und her, ließ Melodien in sich singen, fühlte seine Jugend und
sein Glück, warf zuweilen einen Blick auf den Balkon oder über die
Balustrade auf die Straße und sah endlich Demeter Stanzides herankommen.
Er ging ihm entgegen. »Seien Sie willkommen«, begrüßte er ihn am
Gartentor. »Die Damen sind oben auf dem Zimmer, werden aber bald
erscheinen. Wollen Sie sich indessen ein bißchen den Park ansehen?«
»Gern.«
Sie spazierten miteinander weiter.
»Haben Sie die Absicht, länger in Lugano zu bleiben?« fragte Georg.
»Nein, wir fahren morgen nach Bellaggio, von dort an den Lago Maggiore,
Isola bella. Die ganze Herrlichkeit dauert ja nimmer lang. In vierzehn Tagen
müssen wir wieder zu Hause sein.«
»So kurzen Urlaub?«
»Ach, es ist nicht meinetwegen. Aber Therese muß zurück. Ich bin ein ganz
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik