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Der Weg ins Freie
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Pferdebahn den Hügeln und Wäldern entgegen und atmete freier, als er auf dem Lande war. Langsam spazierte er zwischen Gärten und Villen weiter, dann, am Friedhof vorbei, nahm er eine allmählich ansteigende, weiße Straße, die mit einem ihn freundlich anmutenden Namen Sommerhaidenweg hieß und zu dieser sonnigen Spätnachmittagsstunde von Menschen kaum begangen war. Von dem bewaldeten Höhenzug zur Linken kam noch kein Schatten, nur ein mildes Wehen von Lüften, die in den Blättern geschlafen hatten. Zur Rechten senkte der grüne Hang sich abwärts, gegen das länglich dahinziehende Tal, wo zwischen Ästen und Wipfeln Dächer blinkten. Drüben, hinter Gartenzäunen strebten Weinberge und Äcker auf, zu Wiesen und Steinbrüchen, über denen durchglitzertes Gestrüpp und Buschwerk hing. Im Gelände oft verloren, zog als schmale Linie der Weg, den Georg an andern Tagen manchmal zu wandern pflegte, und sein Auge suchte die Stelle am Waldesrand, wo seine Lieblingsbank stehen mochte. Wiesen und Waldeshöhen hielten am Talesende den Blick auf, und im Spiegel der Luft ließen abendliche Fernen mit neuen Tälern und Hügeln sich ahnen. Dieser Landschaft fühlte Georg sich wunderbar vertraut, und der Gedanke, daß Beruf und Wille ihn in die Fremde rief, webte um seine einsamen Spaziergänge schon in diesen Tagen oft Stimmungen des Abschieds, die freilich von Sehnsucht schwerer waren als von Trauer. Zugleich aber regte sich in ihm ein Vorgefühl reichern Lebens. Es war ihm, als bereite sich in seiner Seele manches vor, das er nicht mit sorgenvollen Sinnen aufstören dürfte; und in den Untergründen seiner Seele, wo heute schon hineinzuhören ihm nicht gegeben war, rauschte es von Melodien kommender Tage. Auch war er nicht müßig geblieben, um die äußern Umrisse seiner Zukunft klar zu ziehen. Nach Detmold hatte er einen höflichdankenden Brief geschrieben, in dem er sich mit Vorbehalt dem Intendanten für den kommenden Herbst zur Verfügung stellte; auch den alten Professor Viebiger hatte er aufgesucht, ihm seine Pläne eröffnet und ihn gebeten, sich bei vorkommenden Gelegenheiten des einstigen Schülers zu erinnern. Aber auch wenn wider Erwarten im Herbst nirgends eine Stellung für ihn sich fände, war er entschlossen, Wien zu verlassen, sich vorläufig in eine kleine Stadt oder aufs Land zurückzuziehen und in der Stille für sich weiter zu arbeiten. Wie sich unter diesen Umständen seine Beziehungen zu Anna weiter gestalten sollten, darüber gab er sich keine klare Rechenschaft; er wußte nur, daß sie niemals enden durften. Es schwebte ihm vor, daß er und Anna einander besuchen und zu gelegener Zeit gemeinschaftliche Reisen unternehmen würden; später übersiedelte sie wohl an den Ort, wo er lebte und wirkte. Doch schien es ihm nutzlos, all dem in die Tiefe nachzugrübeln, ehe die Stunde da war, da sich sein eigenes Schicksal, wenigstens für die Dauer der nächsten Jahre entschieden hatte. Der Sommerhaidenweg lief in den Wald, und Georg nahm den breiten 193
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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