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Der Weg ins Freie
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bestimmt war, gerade in diesem Haus sein Dasein zu beschließen, in dem er nun eben zu Gaste sei und sich so wohl fühle, wie schon lange nicht. Anna bedankte sich, als wäre sie nicht nur hier in der Villa Hausfrau, sondern innerhalb dieser ganzen, abendlich-stillen Welt. Aus dem Dunkel des Gartens begann es milde zu leuchten. Von den Gräsern und Blumen kam feuchtwarmer Duft. Die längliche Wiese, die zum Gitter hinlief, schwebte im Mondenschein empor, und die weiße Bank unter dem Birnbaum schimmerte her, wie von sehr ferne. Anna sagte zu Heinrich Freundliches über die Verse aus dem Operntext, die Georg ihr neulich vorgelesen hatte. »Ja richtig«, bemerkte Georg, die Beine behaglich gekreuzt und eine Zigarre rauchend, »haben Sie uns etwas Neues mitgebracht?« Heinrich schüttelte den Kopf. »Nein, nichts.« »Wie schade«, sagte Anna und machte den Vorschlag, Heinrich sollte doch den Gang der Handlung geordnet und ausführlich erzählen. Schon lange wünschte sie sich das. Aus Georgs Berichten ließe sich kein klares Bild gewinnen. Sie sahen einander an. Die dunkle, süße Stunde stieg vor ihnen auf, da sie Brust an Brust geruht in einem dunkeln Zimmer, vor dessen Fenstern hinter wallendem Schneevorhang eine graue Kirche verdämmert und in das Orgeltöne dumpf geklungen waren. Ja, nun wußten sie, wo das Haus stand, in dem das Kind zur Welt kommen sollte. Auch ein anderes, dachte Georg, steht vielleicht schon irgendwo, in dem das Kind, das heute noch nicht geboren ist, sein Leben enden wird – als Mann – oder als Greis – oder – … ach, was für Gedanken… fort, fort. Heinrich erklärte sich bereit, den Wunsch Annas zu erfüllen, und stand auf. »Es wird mir vielleicht selber nützlich sein«, sagte er wie zur Entschuldigung. »Ich könnte über allerhand ins Reine kommen.« »Aber geben Sie acht, daß Sie nicht plötzlich in Ihre politische Tragikomödie geraten«, bemerkte Georg. Und zu Anna gewandt: »Er schreibt nämlich ein Stück mit einem deutschnationalen Couleurstudenten als Helden, der sich aus Verzweiflung über die Emanzipation der Juden mit Schwämmen vergiftet.« Heinrich winkte ab. »Ein Glas Bier weniger und Sie hätten nicht einmal diesen Witz gemacht.« »Neid«, erwiderte Georg. Er fühlte sich außerordentlich gut aufgelegt, insbesondere, weil er nun fest entschlossen war, übermorgen abzureisen. Er saß ganz nahe bei Anna, hielt ihre Hand in der seinen und hörte es wie von Melodien späterer Tage im tiefsten Grunde seiner Seele rauschen. 205
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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