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Der Weg ins Freie
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das«, dachte er. Ein Sarg, ein Begräbnis, Meldung beim Gemeindeamt: geboren ein Sohn der ledigen Anna Rosner, gestorben am gleichen Tage. Nichts vom Vater natürlich. Ja, seine Rolle war erledigt. Heut erst? War sie’s nicht von der Sekunde an gewesen, da er zufällig Vater geworden war? Er sah auf den Tisch hin. Das Linnen lag über die kleine Leiche hingebreitet. O wie rasch, dachte er bitter. Soll ich’s niemals wiedersehen dürfen? Einmal wird’s wohl noch erlaubt sein. Er zog das Tuch von der Leiche ein wenig fort und hielt es in die Höhe gefaßt. Er sah ein blasses Kindergesicht, das ihm längst bekannt war, nur daß die Augen seither von irgendwem zugedrückt worden waren. Die alte Standuhr in der Ecke tickte. Sechs Uhr. Es war noch keine Stunde vergangen, seit sein Kind geboren und gestorben war; und schon stand diese Tatsache so unwidersprechlich fest, als hätte es gar nicht anders sein können. Er fühlte sich leicht an der Schulter berührt. »Sie hat es mit Ruhe aufgenommen«, sagte Doktor Stauber, der hinter ihm stand. Georg ließ das Linnen über das Antlitz des Kindes sinken und wandte den Kopf nach der Seite. »Sie weiß also schon… ?« Doktor Stauber nickte. Frau Golowski hatte sich abgewandt. »Wer hat’s ihr gesagt?« fragte Georg. »Man hat es ihr gar nicht zu sagen brauchen«, erwiderte Doktor Stauber. »Nicht wahr?« wandte er sich an Frau Golowski. Diese berichtete: »Wie ich zu ihr hineingegangen bin, hat sie mich nur angeschaut, und da hab ich gleich gesehen, daß sie es schon weiß.« »Und was hat sie gesagt?« »Nichts. Gar nichts. Sie hat ihre Augen zum Fenster hin gewandt und ist ganz still gewesen. Wo Sie hingegangen sind, Herr Baron, hat sie mich gefragt, und was Sie machen.« Georg atmete tief auf. Die Türe von Annas Zimmer öffnete sich. Der Professor, im schwarzen Rock, trat heraus. »Sie ist ganz ruhig«, sagte er zu Georg. »Sie können zu ihr hinein.« »Hat sie mit Ihnen darüber gesprochen?« fragte Georg. Der Professor schüttelte den Kopf. Dann sagte er: »Ich muß jetzt leider in die Stadt. Sie entschuldigen, nicht wahr? Ich hoffe, es wird weiter gut gehen. Morgen früh bin ich jedenfalls wieder da. Leben Sie wohl, lieber Herr Baron.« Er drückte ihm teilnahmsvoll die Hand. »Sie fahren mit mir hinein, 231
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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