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Der Weg ins Freie
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zu Weinbergen, Ackern und Wiesen. In einem beinahe menschenleeren Wirtshausgarten, an einem länglichen Tisch, saßen ein paar Musikanten und spielten auf Violine, Gitarre und Harmonika einen klagenden Walzer. Später kam er an ansehnlichen Landhäusern vorbei, und durch offene Fenster sah er in anständig erleuchtete Räume, in denen gedeckte Tische standen. In einem freundlichen Gasthausgarten, möglichst weit von den andern nicht sehr zahlreichen Gästen, ließ er sich endlich nieder, nahm seine Mahlzeit und spürte bald eine wohltuende Müdigkeit über sich kommen. Auf der Pferdebahn duselte er in seiner Ecke beinahe ein. Erst als der Wagen durch belebtere Straßen fuhr, fand er sich wieder und entsann sich des Geschehenen mit quälender, aber trockener Deutlichkeit. Er stieg aus, und durch die feuchte Schwüle des Stadtparks begab er sich nach Hause. Felician war nicht daheim. Auf dem Schreibtisch fand er ein Telegramm liegen. Es war aus Detmold und lautete: »Wir ersuchen höflichst um Nachricht, ob es Ihnen möglich wäre, innerhalb der nächsten drei Tage bei uns einzutreffen. Doch wolle diese Einladung vorläufig als für beide Teile unverbindlich hinsichtlich weiterer Entschließungen angesehen werden. Reisekosten werden in jedem Falle ersetzt. Hochachtungsvoll Hoftheaterintendanz.« Daneben lag das rötliche Blankett für die Antwort. Georg war enerviert. Was sollte er nun erwidern? Das Telegramm deutete offenbar darauf hin, daß eine Kapellmeisterstelle erledigt war. Sollte er um Aufschub ersuchen? Nach acht Tagen könnte er wohl zu einer Besprechung hin und gleich wieder zurückfahren. Es strengte ihn an, darüber nachzudenken. Zum mindesten hatte die Angelegenheit bis morgen früh Zeit. Und wenn das schon zu spät war, so hatte sich am Ende noch immer nichts Wesentliches geändert. Als Gast war er jedenfalls willkommen, das wußte er ja schon. Es war vielleicht besser, sich nicht zu binden… sich irgendwo noch ohne Verpflichtung und Verantwortung einzuarbeiten und dann für das nächste Jahr gerüstet, fertig dazustehen. Aber was waren das für nichtige Erwägungen gegenüber der ungeheuern Sache, die sich heute in seinem Leben ereignet hatte. Er nahm den Malachit und stellte ihn auf das Telegramm. Was jetzt… ? fragte er sich. In den Klub gehen und Felician aufsuchen? Das war ja doch nicht der Ort, ihm die Sache mitzuteilen. Es war schon das beste, daheim zu bleiben und ihn zu erwarten. Es war sogar ein wenig verlockend, sich gleich auszukleiden und zur Ruhe zu legen. Aber er hätte ja doch nicht schlafen können. So kam er auf die Idee, endlich wieder einmal unter seinen Papieren ein bißchen Ordnung zu machen. Er öffnete eine Schreibtischlade, sichtete Rechnungen und Briefe und trug Anmerkungen in sein Notizbuch ein. Die Geräusche der Straße kamen durchs offene Fenster wie von fern. Er dachte daran, wie er im vorigen Sommer, nach des Vaters Tod, an derselben Stelle Briefe seiner verstorbenen Eltern gelesen hatte und 236
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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