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Der Weg ins Freie
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Page - 238 - in Der Weg ins Freie

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»Totgeboren?« »Ich weiß nicht, ob man es so nennen kann«, entgegnete Georg bitter lächelnd, »denn einen Atemzug soll es getan haben, sagt der Arzt. Drei Tage lang haben die Wehen gedauert. Es war schrecklich. Nun ist es vorbei.« »Tot. Das tut mir aber sehr leid, glauben Sie mir.« Er reichte Georg die Hand. »Es war ein Knabe«, sagte Georg, »und merkwürdigerweise sehr schön, anders als Neugeborene sonst auszusehen pflegen.« Er erzählte auch dann, wie er sich eine ganze Weile in einem ungastlichen Gartenhaus aufgehalten hatte, das er früher nie betreten, und wie seltsam sich die Beleuchtung der Landschaft mit einemmal verändert hatte. »Es war ein Licht«, sagte er, »wie es Gegenden zuweilen im Traum haben, ganz unbestimmt,… dämmerhaft,… aber eher traurig.« Während er so sprach, wußte er, daß er Felician die ganze Sache anders erzählen würde. Heinrich saß in der Ecke des Divans und ließ den andern reden. Dann begann er: »Es ist sonderbar, all das ergreift mich natürlich sehr, und doch… es beruhigt mich zugleich.« »Beruhigt Sie?« »Ja. Als wären nun gewisse Dinge, die ich leider befürchten muß, mit einemmal weniger wahrscheinlich geworden.« »Was für Dinge?« Ohne auf ihn zu hören, sprach Heinrich weiter, mit zusammengepreßten Zähnen. »Oder ist es nur deshalb so, weil ich dem Schmerz eines andern gegenüberstehe? Oder gar nur, weil ich wo anders bin, in einer fremden Wohnung? Das wäre schon möglich. Haben Sie nicht bemerkt, daß sogar der eigene Tod einem gleich wie etwas höchst Unwahrscheinliches vorkommt, wenn man zum Beispiel auf Reisen ist; manchmal schon auf einem Spaziergang? Solchen unbegreiflichen Selbsttäuschungen ist der Mensch unterworfen.« Er war aufgestanden, zum Fenster getreten, hatte das Gesicht abgewandt. Georg, an den Schreibtisch gelehnt, wartete ahnungsvoll, was er hören sollte. Nach ein paar Sekunden, als hätte er Fassung gewonnen, wandte Heinrich sich um, blieb aber am Fenster stehen, beide Hände rückwärts auf die Brüstung gestützt, und sagte kurz und hart: »Es besteht nämlich die Möglichkeit, daß die junge Dame, die Sie neulich bei mir flüchtig kennen gelernt haben, einen Selbstmord verübt hat. Bitte machen Sie kein so erschrockenes Gesicht. Sie wissen, es war schon in manchen ihrer Briefe zu lesen, daß sie es tun will.« »Nun also«, sagte Georg. 238
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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