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Der Weg ins Freie
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einem kleinen Tischchen lag die Depesche. Heinrich öffnete sie, hielt sie nah zum flackernden Licht hin, las für sich und wandte sich dann zu Georg. »Sie wurde heute morgens auf der Probe erwartet und ist nicht erschienen.« Er nahm den Leuchter in die Hand und trat, von Georg gefolgt, in den nächsten Raum, stellte das Licht auf den Schreibtisch und ging im Zimmer auf und ab. Georg hörte durchs offene Fenster über den dunkeln Hof Klaviergeklimper. »Sonst enthält die Depesche nichts?« fragte er. »Nein. Aber offenbar ist sie nicht nur nicht auf der Probe gewesen, sondern war auch in ihrer Wohnung nicht zu finden. Sonst hätte man wohl telegraphiert, daß sie krank sei, oder sonst ein Wort der Erklärung. Ja, lieber Georg« – er atmete tief auf – »diesmal ist es geschehen.« »Warum? Dafür ist doch kein Beweis vorhanden, kaum ein Anhaltspunkt.« Heinrich schnitt mit einer seiner kurzen Handbewegungen die Rede des andern ab. Dann sah er auf die Uhr und sagte: »Heut hab ich keinen Zug mehr… Ja… was soll man nur – was soll man nur beginnen?« Er hielt inne, blieb stehen und sagte plötzlich: »Ich werde zu ihrer Mutter fahren. Ja. Das ist das beste… Vielleicht, vielleicht… « Sie verließen die Wohnung. An der nächsten Ecke nahmen sie einen Wagen. »Hat die Mutter etwas gewußt?« fragte Georg. »Ach Gott«, sagte Heinrich. »Was Mütter eben zu wissen pflegen. Es ist ja unglaublich, wie wenig die Menschen über das nachdenken, was in ihrer nächsten Nähe vorgeht, wenn sie nicht durch einen äußern Anlaß dazu genötigt werden. Und die meisten Menschen ahnen nicht einmal, was sie alles wissen, in der Tiefe ihrer Seele wissen, ohne sich’s einzugestehen. Die gute Frau wird wohl etwas erstaunt sein, wenn ich so plötzlich vor ihr auftauche… ich habe sie schon lange nicht gesehen.« »Was werden Sie ihr sagen?« »Ja, was werde ich ihr sagen?« wiederholte Heinrich und biß an seiner Zigarre herum. »Hören Sie, ich habe eine großartige Idee. Sie werden mit mir kommen, Georg, ich stelle Sie als Direktor vor, ja? Sie sind auf der Durchreise hier, müssen noch heute mit einem Separatzug um elf Uhr fort, nach Petersburg, haben irgendwie gehört, daß sich das Fräulein in Wien aufhält, und ich, als alter Bekannter des Hauses bin so liebenswürdig Sie vorzustellen.« »Sind Sie zu dergleichen Komödien aufgelegt?« fragte Georg. »Ach verzeihen Sie, Georg! Es ist ja alles gar nicht notwendig. Ich frage 243
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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