Page - 273 - in Der Weg ins Freie
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»So?«
»Und was glauben Sie mit wem?«
»Wohl in weiblicher Gesellschaft.«
»Ja, das natürlich, ich höre sogar, sie haben fünf oder sieben Weiber mit.«
»Wer – sie?«
»Oskar Ehrenberg… und – raten Sie einmal… Na, der Prinz von
Guastalla.«
»Nicht möglich!«
»Komisch was? Sie haben sich heuer in Ostende oder in Spa sehr
angefreundet. ›Cherchez‹… und so weiter. Wie es nämlich Frauenzimmer
gibt, derentwegen man sich schlägt, so scheint es wieder andre zu geben, über
die man sich gleichsam die Hände reicht. Sie haben nun gemeinschaftlich
Europa verlassen. Vielleicht gründen sie ein Königreich auf irgend einer Insel,
und Oskar Ehrenberg wird Minister.«
Willy Eißler war erschienen, blaßgelb im Gesicht, übernächtig und heiser.
»Grüß Sie Gott Baron, verzeihen Sie, daß ich nicht paff bin, aber ich habe
schon gehört, daß Sie da sind. Irgendwer hat Sie in der Kärtnerstraße
gesehen.«
Georg bat Willy, seinem Vater vom Grafen Malnitz Grüße zu bestellen – er
selbst hätte diesmal leider keine Zeit, den alten Herrn aufzusuchen, dem er –
wie er mit bescheidner Koketterie bemerkte – seine Stellung in Detmold
verdanke.
»Was Ihre Zukunft anbelangt, lieber Baron«, sagte Willy, »hab ich mir nie
Sorgen gemacht, besonders seit ich im vorigen Jahr – oder ist es schon länger
her? – Ihre Lieder von der Bellini hab singen hören. Aber daß Sie sich
entschlossen haben Wien zu verlassen, das war eine gute Idee von Ihnen. Hier
hätte man Sie jedenfalls noch einige Jahrzehnte lang für einen Dilettanten
gehalten. Das ist schon einmal nicht anders in Wien. Ich kenne das. Wenn die
Leute wissen, daß einer aus guter Familie ist, nebstbei Sinn für schöne
Krawatten, gute Zigaretten und verschiedene andre Annehmlichkeiten des
Daseins hat, so glauben sie ihm die Künstlerschaft nicht. Ohne ein Zeugnis
von draußen werden Sie hier nicht ernst genommen… also bringen Sie nur
bald einige glänzende mit, Baron.«
»Ich werde mich bemühen«, sagte Georg.
»Haben die Herren übrigens schon das Neueste gehört«, begann Willy
wieder. »Leo Golowski, wissen Sie, der Einjährige, der den Oberleutnant
Sefranek erschossen hat, ist frei.«
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik