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Selbstironie. Dann gab er einen kurzen und ziemlich humoristischen Auszug
seiner bisherigen Erlebnisse in der kleinen Residenz. Auch das Konzert bei
Hof berührte er spöttisch, als sei er fern davon, seiner Stellung, seinen
bisherigen Erfolgen, den Theaterdingen, ja dem Leben überhaupt besondere
Wichtigkeit beizumessen. So wollte er vor allem seine Position Nürnberger
gegenüber gesichert haben. Dann kam das Gespräch auf die Haftentlassung
Leo Golowskis. Nürnberger freute sich dieses unverhofften Ausgangs, lehnte
es jedoch ab, sich darüber zu wundern, da in der Welt und ganz besonders in
Österreich bekanntlich stets das Unwahrscheinlichste zum Ereignis werde.
Dem Gerücht von Oskar Ehrenbergs Yachtfahrt mit dem Prinzen, das Georg
als neuen Beweis für die Richtigkeit von Nürnbergers Auffassung vorbrachte,
wollte er anfangs trotzdem wenig Glauben schenken. Doch gab er am Ende
die Möglichkeit zu, da ja seine Phantasie, wie er seit langem wußte, von der
Wirklichkeit immer wieder übertroffen würde.
Heinrich sah auf die Uhr. Es war Zeit für ihn sich zu empfehlen.
»Hab ich die Herren nicht gestört?« fragte Georg. »Ich glaube, Sie haben
was vorgelesen, Heinrich, als ich kam.«
»Ich war schon zu Ende«, erwiderte Heinrich.
»Den letzten Akt lesen Sie mir morgen vor, Heinrich«, sagte Nürnberger.
»Ich denke nicht daran«, erwiderte Heinrich lachend. »Wenn die zwei
ersten Akte im Theater so durchgefallen wären, wie jetzt vor Ihnen, lieber
Nürnberger, so könnte man das Ding doch auch nicht zu Ende spielen.
Nehmen wir an, Nürnberger, Sie seien entsetzt aus dem Parkett ins Freie
gestürzt. Den Hausschlüssel und die faulen Eier erlaß ich Ihnen.«
»Donnerwetter!« rief Georg aus.
»Sie übertreiben wieder einmal, Heinrich«, sagte Nürnberger. »Ich habe
mir nur erlaubt, einige Einwendungen vorzubringen«, wandte er sich an
Georg, »das ist alles. Aber er ist ein Autor!«
»Es kommt alles auf die Auffassung an«, sagte Heinrich. »Es ist schließlich
auch nichts andres als eine Einwendung gegen das Leben eines Mitmenschen,
wenn man ihm mit der Hacke den Schädel einschlägt, nur eine ziemlich
wirksame.« Er deutete auf sein Manuskript und wandte sich zu Georg.
»Wissen Sie, was das ist? Meine politische Tragikomödie. Kranzspenden
dankend verbeten.«
Nürnberger lachte. »Ich versichre Sie, Heinrich, aus dem Sujet wäre noch
immer was ganz Famoses zu machen. Sie könnten beinah die ganze
Szenenführung beibehalten und eine Anzahl von Figuren. Sie müßten sich nur
dazu entschließen, bei Wiederaufnahme Ihres Planes weniger gerecht zu
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Der Weg ins Freie
- Title
- Der Weg ins Freie
- Author
- Arthur Schnitzler
- Date
- 1908
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
- Categories
- Weiteres Belletristik