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Der Weg ins Freie
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daß jeder Seelenschmerz irgendwie unserer Eitelkeit schmeichelt, was man von einem Typhus oder einem Magenkatarrh nicht behaupten kann. Und beim Künstler kommt vielleicht dazu, daß aus einem Magenkatarrh absolut nichts zu holen ist… wenigstens vor kurzem stand das noch ziemlich fest… aus Seelenschmerzen hingegen alles, was man nur will, vom lyrischen Gedichte bis zu philosophischen Werken.« »Es gibt doch wohl Seelenschmerzen recht verschiedener Art«, erwiderte Georg. »Und es ist doch noch etwas anderes, wenn uns eine Geliebte betrügt oder verläßt… und selbst wenn sie eines natürlichen Todes stirbt, als wenn sie sich unseretwegen umbringt.« »Sie wissen ganz bestimmt?« fragte Nürnberger, »daß Heinrichs Geliebte sich seinetwegen umgebracht hat?« »Hat Ihnen denn Heinrich nicht erzählt… ?« »Allerdings. Aber das beweist nicht viel. In Hinsicht auf Dinge, die uns selber angehen, sind wir immer Tröpfe, auch die Klügsten unter uns.« Solche Bemerkungen aus Nürnbergers Munde hatten für Georg etwas seltsam Beunruhigendes. Sie gehörten in die Reihe jener, die Nürnberger nicht ungern vernehmen ließ und die, wie Heinrich sich einmal ausgedrückt hatte, den Sinn jedes menschlichen Verkehrs, ja aller menschlichen Beziehungen geradezu aufhoben. Nürnberger sprach weiter: »Wir kennen nur zwei Tatsachen. Die eine, daß unser Freund einmal mit einer jungen Dame ein Verhältnis gehabt und die andere, daß diese junge Dame sich ins Wasser gestürzt hat. Von allem, was dazwischen liegt, ist uns beiden so gut wie nichts und Heinrich wahrscheinlich nicht viel mehr bekannt. Warum sie sich umgebracht hat, können wir alle nicht wissen, und vielleicht hat die Arme selbst es auch nicht gewußt.« Georg sah durchs Fenster, erblickte Dächer, Schornsteine, verwitterte Röhren und ziemlich nah den hellgrauen Turm mit der durchbrochenen Steinkuppel. Der Himmel darüber war blaß und leer. Es fiel Georg plötzlich auf, daß Nürnberger noch mit keinem Wort nach Anna gefragt hatte. Was mochte er wohl vermuten? Am Ende, daß Georg sie verlassen und sie sich schon mit einem andern Liebhaber getröstet hätte? Warum bin ich nach Wien gefahren, dachte er flüchtig, – wie wenn seine Reise keinen andern Zweck gehabt hätte, als sich von Nürnberger Aufschlüsse über das Dasein erteilen zu lassen, die nun schlimm genug ausgefallen waren. Es schlug zwölf. Georg nahm Abschied. Nürnberger begleitete ihn bis an die Tür und dankte ihm für den Besuch. Mit Herzlichkeit, als hätte das frühere Gespräch über Georgs neuen Aufenthaltsort überhaupt keine Geltung zu beanspruchen, erkundigte er 281
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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