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Der Weg ins Freie
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hatte und die mit einem Berliner Arzt verlobt war, von einem Tenor, der schon siebenundzwanzig Jahre an dem Theater wirkte und Wagner grimmig haßte. Dann begann er von seinen persönlichen Aussichten in künstlerischer und materieller Beziehung zu sprechen. Ohne Zweifel könnte er an dem kleinen Hoftheater bald zu einer gesicherten und günstigen Position gelangen. Andererseits wäre zu bedenken, daß es gefährlich sei, sich auf allzulange zu binden; eine Karriere wie die des alten Kapellmeisters wäre nicht nach seinem Geschmack. Freilich… die Temperamente seien verschieden, er für seinen Teil glaube sich vor einem ähnlichen Schicksal gefeit. Anna sah ihn immer nur an, und in einem nachsichtig-spöttischen Ton, wie wenn sie zu einem Kinde spräche, sagte sie endlich: »Nein, wie er sich anstrengt.« Er war betroffen. »Inwiefern streng ich mich an?« »Schau, Georg, du bist mir doch nicht Aufklärungen irgendwelcher Art schuldig.« »Aufklärungen? Du bist aber wirklich… Ich gebe dir doch keine Aufklärungen, Anna. Ich schildere dir einfach, wie ich lebe, und mit was für Leuten ich zu tun habe… weil ich mir schmeichle, daß dich diese Dinge interessieren; – geradeso wie ich dir erzählt habe, wo ich heute und gestern gewesen bin.« Sie schwieg. Und Georg fühlte wieder, daß sie ihm nicht glaubte, daß sie ein Recht hatte ihm nicht zu glauben – selbst wenn zufällig einmal Wahrheit über seine Lippen kam. Allerlei Worte traten ihm auf die Zunge, Worte des Gekränktseins, des Zorns, der milden Zusprache – jedes schien ihm gleich wertlos und leer. Er erwiderte gar nichts, setzte sich zum Pianino, griff leise Töne und Akkorde. Nun war ihm wieder, als liebte er sie sehr und könnte es ihr nur nicht sagen, und als wäre diese Stunde des Wiedersehens ganz anders geworden, wenn man sie anderswo gefeiert hätte. Nicht in diesem Zimmer, nicht in dieser Stadt; am liebsten an einem Ort, den sie beide nicht kannten, in einer fremden, neuen Umgebung. Ja, dann wäre vielleicht alles wieder geworden, wie es einstmals war. Dann hätten sie einander in die Arme stürzen können – wie einst, in Sehnsucht, zu Wonne – und Frieden. Es fuhr ihm durch den Sinn: Wenn ich ihr nun sagte: Anna! Drei Tage und drei Nächte gehören uns! Wenn ich sie bäte… mit den rechten Worten… ihr zu Füßen, sie anflehte… komm mit mir! komm… Sie widerstände nicht lang! Sie folgte mir gewiß… Er wußte es. Warum sprach er die rechten Worte nicht aus? Warum flehte er sie nicht an? Warum schwieg er, saß am Pianino, abgewandt, griff leise Töne und Akkorde… ? Warum?… Da fühlte er auf seinem Haupt ihre weichen Hände. Seine Finger lagen schwer auf den Tasten, irgendein Akkord tönte nach. Er wagte nicht sich umzuwenden. Er fühlte: sie weiß es auch. Was 297
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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