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A. Kontexte, Aspekte, Kommentare
Erlöser
Ich war literarisch frühreif. […]. Die ersten »wirklichen« Gedichte »verbrach« ich mit zehn
Jahren, mit elf schrieb ich ein Makkabäerdrama in fünf Aufzügen, mit dreizehn eine Bar
Kochba-Tragödie, mit vierzehn lief ich verschiedenen Regisseuren die Türen ein, um ihnen
eine Faust-Parodie anzubieten (LWV 120).
So beschreibt Wolfgang von Weisl in seinen gegen Ende seines Lebens niedergeschrie-
benen Memoiren Lang ist der Weg ins Vaterland seine literarischen Anfänge als Zögling
des Wiener Piaristengymnasiums. Sein »Makkabäerdrama«, welches das Schicksal des
jüdischen Freiheitshelden Judas Makkabäus (»der Hammer«, getötet 160 v. Chr.) im
Kampf gegen das Imperium der hellenistischen Seleukiden und deren Anhänger dar-
stellen sollte, ist nicht erhalten. Mit dem Schicksal Simon Bar Kochbas beschäftigte
sich der junge Weisl jedoch noch ein weiteres Jahrzehnt. Er schuf eine neue Fassung
der Tragödie in Versen, die er dann »zum größten Teil als Artillerieaufklärer« im Ers-
ten Weltkrieg, »im Schützengraben an der russischen Front« verfasste (LWV 121). Im
Winter 1916 hatte er dort, in Galizien, ein existentielles Schlüsselerlebnis, das für die
Festigung seiner jüdischen Identität und für die metaphysische, religiöse Legitimation
seines irdischen zionistischen Lebenswerks von entscheidender Bedeutung war. Als un-
mittelbar neben ihm eine Ladung russischer Granaten einschlug, fasste er, ohne dass
er die geringste Todesangst verspürt habe, einen kühnen Entschluss, »den nichts mehr
ändern sollte, was die Zukunft brachte« : »Wichtiger als alles auf dieser Welt ist mir die
Befreiung meines jüdischen Volkes ; dafür will ich ein Werkzeug werden – dafür leben
und, wenn nötig, mein Leben lassen« (LWV 129). Die realhistorische Figur, die für
Weisl diesen Entschluss als erste bahnbrechend vorgelebt hatte, war der antirömische
Rebell und tragisch gescheiterte Märtyrer Simon Bar Kochba. In der nun rasch vollen-
deten Dramatisierung von dessen zukunftsweisendem Schicksal behandelt Weisl nach
eigenen Worten »das allgemeine und übernationale religionspsychologische Problem,
wie ein Mensch, ohne Betrüger zu sein, sich als Messias, Erlöser, empfinden könne«
(LWV 121).
Kaum aus dem Ersten Weltkrieg, in dem er als Artillerieoffizier der k. u. k. Armee
später auch an der Südfront in Friaul gedient hatte, nach Wien zurückgekehrt, sandte
der 22-jährige Medizinstudent Wolfgang von Weisl am 26. Oktober 1918 dem hoch-
angesehenen 40-jährigen Philosophen Martin Buber den folgenden Brief nach Berlin :
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355