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26 A. Kontexte, Aspekte, Kommentare
tive, dem Ermordeten in den Mund gelegte Maxime dar : »Lieber die Araber als die Zi-
onisten !«, die Weisl von de Haan »hundert und hunderte Male« gehört haben wollte.20
Es gibt in Weisls gesamtem Lebenswerk keinen einzigen anderen jĂĽdischen Anti-
poden, der ihn gleichermaßen anzieht und abstößt wie dieser ihm so »genial« wie »para-
noisch« erscheinende holländische Antizionist. In seinen Memoiren widmet Weisl ihm
allerdings nur mehr wenige Zeilen. Er beschuldigt den »hyperorthodoxen« Juden ge-
meinsam mit den Arabern »den Zusammenbruch des zionistischen Experiments in die
Welt hinausposaunt« zu haben (LWV 281). Von de Haans angeblichem »Wahnsinn«
oder seinen »sexuellen Perversionen«, die in Weisls Buch Der Kampf um das Heilige
Land ausgeschlachtet werden21, ist hier jedoch keine Rede mehr. Auffällig ist in diesem
Zusammenhang auch die freundliche Charakterisierung, die Weisl in seinen Memoiren
von Joseph Chaim Sonnenfeld abgibt, dem aus der Slowakei stammenden Oberrabbiner
der Jerusalemer ultra-orthodoxen Gemeinde »Edah HaCharedit«, dem obersten Führer
der Aguda Israel und de Haans Mentor, der ihn zu seinem diplomatischen Vertreter
und Rechtsberater auserkoren hatte. Rav Sonnenfeld ist sogar die allererste Persönlich-
keit, die Weisl bei seiner Antrittsreise nach Palästina im Juni 1922 in der Altstadt Jeru-
salems besucht hatte. »Er war eine Respekt gebietende, ehrwürdige Erscheinung«, er-
innert sich der Memoirenschreiber, »ungemein intelligent und ein größerer Patriot, als
dieÂ
– von ihm angefeindetenÂ
– Zionisten wahrhaben wollten« (LWV 229).
Arnold Zweig hat in seinem Palästinaroman nicht ohne tieferen Grund dem
Dr.Â
Wolfgang von Weisl ein Denkmal gesetzt, wie sich der literarisch so prominent Ver-
ewigte noch viele Jahre später in seiner Autobiographie Lang ist der Weg ins Vaterland
geschmeichelt erinnert (LWV 191). Zum Verständnis von Weisls eigener Romanreplik
verdient Arnold Zweigs unsympathisch gezeichnete Figur des Dr. von Marschalkowicz
noch eine nähere Betrachtung – ebenso wie de Vriendt, der tragische Romanheld, das
selbsterklärte Alter Ego seines Autors.22 Marschalkowicz verkörpert den Typus des mi-
litanten revisionistischen AuĂźenseitersÂ
– im diametralen Gegensatz zu dem erschossenen
20 WvW : Das Seelenleben de Haans. In : Jüdische Wochenschrift. Zentralorgan der Misrachi-Verbände
in den Donau- und Balkanländern (Wien), 19.Â
April 1924, S.Â
3Â
f.
21 Siehe Der Kampf um das Heilige Land (Anm. 13), S. 205, wo Weisl dem ermordeten de Haan eine
dekadente, »Palästina verunreinigende Knabenliebe« zu Arabern unterstellt.
22 Wie aus seinem Briefwechsel mit Sigmund Freud hervorgeht, hat sich Arnold Zweig ohne RĂĽck-
sicht auf »eigene«, homo- und arabophile, »Tabus« mit Jakob de Haan identifiziert. »Ich war bei-
des«, bekennt Zweig mit radikaler Offenheit in einem Brief vom 29. Mai 1932 : »der arabische
(semitische) Knabe und der gottlos-orthodoxe Liebhaber und Schriftsteller«. Hier habe er seinem
»entfesselten Trieb« endlich einmal freie Bahn gelassen. »Muss man denn immer gleich mit den
paar Freuden des Lebens zahlen, wenn man die eigenen Tabus antastet ?« (Sigmund FreudÂ
– Arnold
Zweig : Briefwechsel. Hg. von ErnstÂ
L. Freud. Frankfurt/M.: S.Â
Fischer 1968, S.Â
53).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355