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148 C. Wolfgang von Weisl
platz zu Weideplatz zogen. Aber noch mehr hasste und verachtete er die Franzosen, die
plötzlich Herren seiner Heimat sein wollten.
Mit Türken und Arabern hatten die Drusen seit Jahrhunderten Krieg geführt – und
hatten immer alle Kriege gewonnen. Nie hatte der Pascha von Damaskus mehr als den
Schatten einer Befehlsgewalt ĂĽber das Lavaland des Drusengebirges besessen, und nie
würde der König Faisal – wenn er je König von Syrien werden sollte, was Allah allein
weiß – mehr Macht ausüben als der Sultan. Aber die Franzosen, oh, die Franken wür-
den andere Herren sein, das wusste jedes Kind vom fernen Taurus13 bis zu den blauen
Wassern des galiläischen Meeres. Das erzählte jeder Bote des Emirs Faisal, das erzählte
jeder englische Offizier – und da diese Erzählungen gewöhnlich von Geldgeschenken
und Geldversprechungen begleitet waren, so glaubten die Drusen ebenso gern wie die
Araber an die herrliche Zeit, die ihrer unter der Herrschaft des Prinzen Faisal wartete.
Faisal musste König werden ! König von Syrien, König von Palästina, König von Ara-
bien ! Das war die LosungÂ
– aber der Erreichung dieses Zieles standen zwei Hindernisse
entgegen. Im Libanon lag eine französische Armee, die täglich stärker wurde. Und in
Palästina gab es außer den Arabern auch Juden. So führten denn die Feinde Frankreichs
Krieg gegen zwei Fronten zugleich : gegen den General Gouraud im Norden – und
gegen die kleinen, armseligen jüdischen Dörfer im oberen Jordantal im Süden Syriens.
Und so kam es, dass der Drusenhäuptling Ibrahim Beg als Führer von arabischen Frei-
schärlern im Felde lag, um den am weitesten vorgeschobenen Siedlungspunkt der Ju-
den zu berennen, Metulla, den SchlĂĽssel zu der reichen und fruchtbaren Ebene von
Mardsch-Uyun.
Mit aller Höflichkeit eines Hausherrn begrüßte der Beg die arabischen Anführer.
Aber gerade diese Höflichkeit erweckte Misstrauen und Ablehnung. Der Druse war
eben kein Hausherr – er war nicht einmal ein rechtgläubiger Mohammedaner, er war
schlimmer als ein Jude oder ein Christ, wenn man es recht betrachtete. Ein Heide, der
jeden Donnerstagabend in geheimnisvollen Versammlungen bei ausgelöschtem Licht
einen Eselskopf anbetet, wie jeder Araber weiĂź. Und dieser Heide spielte hier den An-
führer, den Herrn, statt sich bescheiden als militärischer Berater den arabischen Edlen
zur VerfĂĽgung zu stellen !
Der Beg kannte die Gedanken seiner Kameraden, lächelte spöttisch und eröffnete
die Beratung : »Die Juden wollen das Dorf da drüben verteidigen. Wir sind hier bei-
nahe tausend Mann mit fast vierhundert Gewehren – wenn ich vorschlagen würde, so-
fort zu stürmen, so wäret Ihr wohl damit nicht einverstanden ?« Ein wenig höhnisch
lieĂź er seinen Blick von Mann zu Mann wandern, musterte die mageren Gestalten, die
13 Taurus : Gebirge zwischen dem anatolischen Hochland, dem Mittelmeer und der mesopotamischen
Tiefebene.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355