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150 C. Wolfgang von Weisl
Handstreich Riad, die Hauptstadt seines vertriebenen Vaters14, den TĂĽrken wieder zu
entreißen,15 der aber ein Vierteljahrhundert später trotz zehnfacher Übermacht hilflos
ein Jahr lang vor Medina und Dschidda liegen blieb, weil eben seine Krieger nicht zu
stĂĽrmen verstanden.
Ibrahim Beg lächelte verächtlich. »Bei uns Drusen gibt es eine Regel«, sagte er wie
vor sich hin. »Wenn zwei Drusen einem Mann auf der Straße begegnen und ihn über-
fallen wollen, dann losen sie. Wer verliert, der reitet fort, damit er nicht etwa in Versu-
chung gerät, seinem Freund im Kampfe zu helfen. Einer gegen einenÂ
– so kämpfen die
Drusen !«
Der Scheich der El H’san lachte laut. Die anderen Araber lächelten höflich. Gewiss,
auch so konnte man kämpfen. Das war schließlich mehr oder weniger Geschmack-
sache ; die Araber haben eben darĂĽber eine andere Ansicht als die Drusen. Von Leu-
ten, die einen Eselskopf anbeten, ist alles zu erwarten ; auch dass sie so kämpfen, wie
der Beg es erzählt. Doktor Schükri Effendi, ein Vertrauensmann des Emirs Faisal, der
als Stabsoffizier seiner neuen Armee die Expedition nach Galiläa mitmachte, ärgerte
sich über den Hohn in den Augen Ibrahim Begs und ärgerte sich noch mehr über die
Unentschlossenheit der Beduinen. Er wusste, dass es bei einem Aufstand kein Warten,
keinen Aufschub eines Angriffes geben darf. Gewiss – seit zwei Monaten hielten die
Aufständischen stand gegen die Franzosen, hatten sie zweimal im Jordantal geschlagen,
hatten sie aus Metulla hinausgeworfen, das nunmehr nur von den Juden besetzt war.
Aber Schükri Effendi überschätzte diese Siege der Araber nicht. Es waren mohamme-
danische Truppen, Algerier, gewesen, die den Arabern gegenĂĽber gestanden waren, und
diese hatten nicht kämpfen wollen. Wenn morgen christliche, europäische Bataillone
in Beirut landen, wenn europäische Truppen ins Jordantal zwischen dem blauen Tibe-
rias-See und dem schneeigen Hermon-Gebirge einmarschieren, um das sich vorläufig
noch Engländer und Franzosen stritten16Â
– dann würde die Existenz der paar jüdischen
Dörfer im Jordantal den Feinden des Emirs Faisal als Beispiel seiner Machtlosigkeit
dienen. Wenn die Araber nicht einmal mit den paar Judendörfern fertig geworden sind,
was war dann an ihnen dran ? Ihm, dem gebildeten Arzt, dem glĂĽhenden Nationalisten,
14 Abdul Rahman ibn Abdallah (siehe biographische Daten, S.Â
341).
15 1902 wurde Riad von Ibn Saud durch die ErstĂĽrmung der Festungsanlage al-Masmak zurĂĽcker-
obert.
16 Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches gab es in Obergaliläa mehrere Grenzver-
schiebungen. 1919 hatte Großbritannien den nördlichen Teil mit Tel Chai, Metulla, Hamrah und
Kfar Giladi an die französische Verwaltung abgetreten. Im Friedensvertrag von Sèvres (10. August
1920) zwischen der Entente (GroĂźbritannien, Frankreich, Russland) und dem Osmanischen Reich
wurde dann Obergaliläa endgültig der britischen Mandatsmacht über Palästina beiderseits des Jor-
dans einverleibt.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355