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Der Anfang der Wandlung Israels 163
die blauweiße Fahne wehen und über dem Hermon auch. Und Trumpeldor wäre am
Leben …«
Was Eldad jetzt sagte, war unpersönlich – darüber ließ sich reden. Der Steinbruch-
arbeiter räusperte sich deshalb zum Zeichen, er wolle erörtern, ob die Flaggenhissung
über Jerusalem empfehlenswert gewesen wäre. Eldad aber fuhr mit verhaltener Wut
fort : »Trumpeldor hätte ja genug Zeit gehabt, um eine Armee zu bilden. Ihr wisst es.
Die jüdischen Soldaten, die jüdischen Kriegsgefangenen in Sibirien, sie waren bereit,
nach Palästina zu ziehen. Aber die jüdischen Politiker wollten nicht. Sie hatten Angst
davor, dass wir unser Reich wieder errichten – mit Taten und nicht mit Worten. Mit
eiserner Faust und nicht mit Gold. So wie sie Jabotinsky ausgelacht haben, so lachten
sie über Trumpeldor und legten ihm Steine, Felsblöcke in den Weg. Und deshalb schei-
terte er, deshalb liegen wir heute hier in Metulla
– einer gegen fünfzig Araber, während
die Herren Zionisten behaglich in Jerusalem sitzen und über das Budget streiten und
feilschen. Und deshalb ist Trumpeldor tot. Aber die Bande, die ihn ermordet hat, wird
es büßen. Die Araber haben den Waffenstillstand gebrochen. Jetzt ist die Reihe an uns.«
Er stand auf, reckte sich, nahm von einem Haken an der Wand eine Abbaye, den
schwarzen Arabermantel, und warf ihn um. »Danon !«, rief er den Spaniolen, »Danon !
Willst du mit mir hinüber zu Ibrahim Beg ?«
Advokat Steinberg protestierte. Eldad kümmerte sich nicht um seinen Widerspruch.
Der Jüngling in ihm siegte über den Kommandanten, der seinen Posten nicht hätte ver-
lassen dürfen. Danon folgte wortlos seinem Beispiel, nahm eine zweite Abbaye, wickelte
ein Kopftuch um Stirne und Kinn, hängte Handgranaten um den Gürtel, die von den
algerischen Kolonialsoldaten bei ihrem Rückzug in Metulla zurückgelassen worden wa-
ren.
Eine halbe Stunde später glitten sie im Schatten der Tamariskengebüsche den Stein-
hang zum Jordan hinunter.
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D ie Wellen des Flusses klatschten und schlugen gegen die Felsblöcke, hinter denen
ein arabischer Wachtposten lag. Aber der Beduine war gerade damit beschäftigt,
mit dem Messer die Nägel seiner großen Zehe zurechtzuschneiden, und bemerkte die
beiden Männer nicht, die einen Steinwurf weit oberhalb seiner Stellung über den Jor-
dan setzten. Der Weg zum Lager der Aufständischen war frei.
Lager
– das klingt romantischer, als es der Wirklichkeit entspricht. Bei den Rebellen
gab es keine geordneten Formationen. Nur die Anführer hatten Zelte. Die Krieger la-
gen irgendwo hinter einem Strauch, hinter einem kleinen Hügel, in ihre langen Mäntel
gewickelt, den Kopf ins Ärmelloch der Abbaye gesteckt. Beim Hügel am Johannis-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355