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166 C. Wolfgang von Weisl
Hundegebell empfängt. Ein paar hundert Meter südlich vom Pfad lagern Araber. Ein
Fellach, in seinen Mantel gewickelt, wacht auf, ruft schlaftrunken sein »min hon !«32 ins
Leere, zu den angebundenen Hunden hinüber.
Eldad atmete auf, als der Weg an Akaziengebüsch vorbeibog. Er wollte nicht Kampf,
sondern Sieg. Er wollte nicht Trumpeldors Tod, sondern seine Niederlage rächen. Alle
Liebe für den toten Führer verblendete ihn nicht. In ihm war der Geist seiner Rasse
lebendig, die vor mehr als drei Jahrtausend Jahren aus der Wüste kommend, das Jordan-
land überschwemmte, um Boden und Ruhe für kommende Geschlechter zu schaffen.
Wie damals hinter Josua, hinter den Richtern, hinter Simson die Wüste mit unerbitt-
licher Drohung mahnte : Sieg über den Feind oder Tod in der Wüste – so stand auch
heute der Tod hinter Eldad. Wie Tiere ein Erdbeben ahnen, wie Ratten angstvoll spü-
ren, wenn ein Schiff zum Untergang bestimmt ist, so fühlte Eldad, dass sein Volk, sein
Blut vom Erdboden vertilgt wird durch Pogrom der Weißen oder Roten33, durch Aus-
rottung oder durch Rassenselbstmord.34 Durch Amalek35 oder durch den Hunger der
wasserlosen Wüste, wenn nicht … wenn nicht die Rettung kam, die Erneuerung. Das
alte Land, in dem das alte Volk wieder jung werden konnte. Und zwischen dem Tod-
geweihten und der Rettung stand hart der Besitzer des Bodens Palästinas und wehrte
sich gegen den Strom der Verzweifelten genauso, wie Philister und Kanaaniter vor Jahr-
tausenden getan hatten. Der Feind ! In diesem Augenblick war er für Eldad verkörpert
im Lager Ibrahim Begs. Das nächste Ziel.
Danon zupfte ihn an der Abbaye. Flüsterte fast stimmlos : »Dort ! Pferde !« Die Män-
ner sahen nichts, denn der Mond war endlich hinter einer Wolkenbank am Gebirgsrand
verschwunden. Aber an ihr geschärftes Ohr drang Klirren wie von Hufen und leises
Stampfen. Eldad und Danon hingen vorsichtig die Gewehre über, hakten zwei französi-
sche Handgranaten los und stiegen vorsichtig talab der Stelle zu, von wo das Stampfen
der Hufe herklang. Im ungewissen Dunkel sahen sie rechts vor sich im Wiesengras
etwa zwei Dutzend gekoppelter Pferde. Einen Steinwurf weiter verglomm ein Holz-
feuer, bei dem vier Wächter saßen. Zur Linken aber am Berghang standen zwei Zelte :
bessere, reichere als die armseligen schwarzen Filzrechtecke, unter denen die Hirten des
Jordantals schlafen.
32 min hon (arab.) : »zum Teufel«.
33 Weiße (Zaristen) versus Rote (Bolschewisten).
34 Vgl. den Aufsatz von WvWs Vater Ernst Franz von Weisl : Rassenmord. Die Entsittlichung des Ehe-
lebens der Juden der »besseren« Stände. In : Jüdisches Volksblatt (Wien), 1.
Mai 1903, S.
2.
35 Amalekiter (nach Esaus Enkel Amalek) : Stamm in Kanaan, der gegen die Israeliten um die Land-
nahme kämpfte, in übertragener, genereller Bedeutung : die »Feinde Israels«.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355