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168 C. Wolfgang von Weisl
Eisen in die Luft zwischen die gefesselten Tiere, kaum dass er sein Pferd losgeschnitten
hatte. Mit mächtigem Satz bäumte sich seine entsetzte Stute hoch, als Feuer und Don-
ner neben ihr aus der Erde schoss. Sie brauste in rasender Karriere davon, nach Osten,
zum Jordan. Ihm nach das Pferd Danons, in panischer Angst.
»Mazal tow, mazal tow ! Glückauf !«, schrie, lachte und johlte wie irrsinnig der Spa-
niole, als er die Richtung der durchgehenden Pferde erkannte, und umklammerte nach
arabischer Art mit den Unterschenkeln den Bauch des Rosses, während er es mit den
Fersen zu immer schnellerem Lauf antrieb. »Mazal tow«, antwortete Eldad, atemlos.
»Wenn wir uns nicht die Hälse brechen, weil unsere Bestien stolpern, entkommen wir.«
Die Pferde stolperten nicht. Nach ein paar Minuten mörderischer Jagd gewannen
die Reiter sogar Herrschaft über ihre Tiere und konnten sie nordwärts lenken, aus der
gefährlichen Sumpfzone weg. Eldad hielt sein Tier an, lauschte nach hinten. Auf dem
weichen Boden war kein Hufschlag zu hören, aber im Westen tauchten Schatten auf,
dort kamen Reiter.
»Bravo«, lobte Eldad. »Tüchtige Reiter, die Araber ! Unglaublich, wie rasch sie ihre
Gäule beruhigt haben ? Die werden nicht wenig toll gewesen sein, nach der Handgra-
nate !« Er warf sein Pferd herum, galoppierte zu einem Baum und hielt in seinem Schat-
ten an. »Fort ! Galopp ! Reite nach Norden um Metulla herum !«, befahl er mit jener
Offiziersstimme, die seine Gefährten an ihm hassten. »Ich warte hier auf die Araber !«
Danon gehorchte. Eldad bereitete die letzte Rache vor : ein ReiterkunststĂĽck, das er
als Gymnasiast von den Kosaken in Tiflis gelernt hatte, wo sein Vater Militärarzt ge-
wesen war. Lauernd saĂź er im Sattel, gebĂĽckt, die Hand mit der Flinte zwischen den
Ohren der Stute, die er unablässig streichelte. Näher kamen die Schatten. Zwei Reiter
deutlich voran. Hunderte von Metern hinter ihnen vier oder fünf andere. »Leichtes
Spiel. Honvédhusaren37 wären ärger«, dachte er halblaut.
Die ersten beiden Reiter erblickten jetzt Danon, weil er gerade einen kleinen HĂĽgel-
weg bergan sprengte, so dass Ross und Mann sich auf der sanften Kuppe deutlich vom
sternenübersäten Nachthimmel abhoben. Die Araber stießen wilde, freudige Schreie
aus, trieben ihre Pferde etwas zur Seite und boten dadurch so breites Ziel, dass Eldad
selbst beim elenden BĂĽchsenlicht des Sternenhimmels einen Schuss wagen konnte. Er
stieß einen schrillen Schrei aus – überrascht parierten die Araber, wandten die Köpfe –
zwei, drei, viermal krachte sein Gewehr. Der eine Araber stĂĽrzte aus dem Sattel, das
Tier des zweiten brach mit entsetztem Sprung seitwärts aus und jagte zurück. Eldad
stieß seiner Stute die Haken wieder in die Flanken. »Ich war es ! Ich ! Eldad Schu’al !«,
heulte er in die Nacht hinaus ! »Schu’al, Schu’al !«
37 Honvéd (ung. Vaterlandsverteidiger), Husaren : Kavallerie der königlich ungarischen Landwehr in
der k. u. k. Armee (1867–1918).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355