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188 C. Wolfgang von Weisl
Gehalt saß, während sie den aufreibenden Kampf ums tägliche Brot gegen Sonne und
Regen, gegen Malariamücken und Typhusbazillen führten.
»Ich werde kein Pakid werden, Harzwi, ich nicht«, versicherte Eldad heiter. »Aber
die Zeit der Kämpfe ist noch nicht vorbei, und wenn die Araber wiederum angreifen
werden, wird es schlimmer sein als diesmal. Und deshalb müssen wir eine bessere Ver-
teidigung organisieren
– schon jetzt, schon heute müssen wir die Arbeiter dazu erziehen.
Und deshalb gehe ich ins Büro. Man muss drinnen sitzen, wenn man etwas erreichen
will.
Harzwi schüttelte unzufrieden seinen kleinen, fast griechischen Kopf mit dem kurz-
geschnittenen, schwarz-stoppeligen Haar. »Du kennst unsere Beamten nicht, wenn du
glaubst, dass du etwas wirst anders machen können, als sie dich lassen. Du wirst sehen !«,
prophezeite er düster. »Dort stiehlt man Geld, verschwendet, fährt im Auto spazieren.
Das ist nichts für dich. Aber, wenn du in Jerusalem bleibst, kannst du bei mir wohnen.
Ich habe ein Zimmer für zwei – mein voriger Kamerad ist auf Wanderschaft gegangen,
das Land anzusehen.«
Eldad Schu’al zögerte. Von seiner bürgerlichen Vergangenheit her war in ihm Sehn-
sucht nach Sauberkeit, Ruhe und nach Alleinsein. Er würde zumindest das letzte nie
finden, wenn er mit einem anderen Arbeiter zusammen wohnte. Aber andererseits : Er
wollte nicht Bürokrat werden ; er wollte mit dem jungen Proletariat Jerusalems in Füh-
lung bleiben. Harzwi war so gut wie ein anderer, um ihn mit den Arbeitern der Heiligen
Stadt in Verbindung zu bringen, trotz seines Eigenbrötlertums.
»Die Miete ist teuer«, warnte ihn Harzwi. »Die verrückten amerikanischen Doktoren
und Beamten und Krankenschwestern, die mit fetten Gehältern aus New York hier-
hergeschickt werden, treiben die Preise von Tag zu Tag mehr in die Höhe. Sie wissen
nicht, was Geld ist, sie füttern die arabischen Hausbesitzer mit Gold. Ich zahle für mein
Zimmer in Ohel Mosheh zwei Pfund monatlich.« Er sah erwartungsvoll Eldad Schu’al
an ; in seinem Budget spielte das eine große Rolle. Eldad bedachte sich. Ein Pfund mo-
natlich für ein Bett war viel Geld ; dazu kam noch Petroleum und Wasser, er wusste
nicht, wie hoch sein Gehalt sein würde. »Acht Pfund, höchstens«, rechnete er, für einen
Junggesellen wie ihn konnte man doch nicht mehr zahlen. Zögernd sagte er : »Ich weiß
noch nicht, wie viel ich verdiene, Genosse. Gehen wir erst zu Kazprin. Dann werde ich
dir Antwort sagen. Habt ihr eine große Zisterne beim Haus, oder muss man im Som-
mer Wasser zukaufen ?«
Harzwi begann die Vorzüge seines Heimes in glühenden Farben zu schildern ; nette
Mädchen sind im Viertel, und gute Luft ist dort, und das »Hotel Jus«, Sitz des Vaad
Hazirim, das Zionistische Zentralbüro, nicht weit entfernt. Eifrig redend wanderten die
beiden jungen Leute, gestern Helden und heute kleine Angestellte und Arbeiter, zum
»Hotel Jus«.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355