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Der Anfang der Wandlung Israels 209
hätte er geantwortet. »Politik hat nichts mit Feindschaft oder Freundschaft zu tun. Ich
will Palästina englisch machen, und dabei stören mich die Juden. That’s all.«
Der jüdische Arzt im arabischen Dorf
– der würde mithelfen, gute Beziehungen zwi-
schen Zionisten und Arabern zu schaffen. Und das wäre überflüssig. Dann brauchten
weder Juden noch Araber englische Hilfe, und das wäre nicht gut. Das wäre ungesund
für beide. Araber wie Juden neigen dazu, übermütig zu werden, nicht die Realitäten
des Lebens zu bedenken. Getrennt können sie weniger Schaden stiften als vereint. Viel
weniger. Wirklich : Es ist besser, wenn Juden nur mit Juden und die Araber nur mit der
Regierung zu tun haben, mit dem Gesundheitsamt, das für sie sorgt, mit ihm, dem eng-
lischen Obersten. Das ist vernünftige Politik, die nichts mit Antisemitismus gemein hat.
Daran dachte er auch jetzt, als ihm Hanna einen Brief zur Unterschrift vorlegte. Er
las ihn nochmals durch, obwohl er nur ein paar Zeilen enthielt, und schrieb ein paar
Worte mit der Feder hinzu, ehe er seinen Namen darunter setzte. Er lehnte sich zurück
und sah Hanna an : »Listen, Miss Asriel, ich möchte Sie um eine kleine Gefälligkeit
bitten.« Der Oberst zeigte auf das Papier. »Könnten Sie diesen Brief morgen, ehe Sie
ins Office kommen, persönlich dem Doktor Hamber im Pasteur-Institut übergeben ?
Ich möchte, dass Sie ihm sagen, ich würde gern alle seine Wünsche erfüllen, wenn er
sein Institut dem Gesundheitsamt übergibt. Ich habe das im Brief angedeutet, aber ich
wünsche, dass Sie dem eigensinnigen Büffel klar machen, dass ich sein Privatinteresse
schützen will. Wenn er aber nicht will …« Der Oberst zuckte die Achseln, und ein höh-
nischer Zug huschte über seine Lippen.
Hanna legte schweigend das Blatt in ihre Mappe. Colonel Antimon nickte ihr zu :
»Es hat keine Eile. Sie können den Brief erst morgen dem Doktor Hamber bringen,
wenn ihr Boy Sie wieder ins Office begleitet …«
Hanna wurde rot und ärgerte sich über dieses Erröten, das sie nicht unterdrücken
konnte. Der Chef entschuldigte sich : »Ich habe nicht die Absicht, mich um Ihre Privat-
sachen zu kümmern, Miss Asriel, aber ich sehe Sie seit einiger Zeit jeden Morgen mit
diesem netten Burschen an meinem Haus vorbeigehen. Warum lässt er sich eigentlich
nicht die Haare schneiden ? Er sieht so exzentrisch aus.«
Hanna wurde böse : »Ich dachte nie daran, Mister Schu’al zu fragen, warum er sein
Haar lang trägt. Ich würde es taktlos finden, mich in die persönlichen Angelegenheiten
eines Gentleman zu mengen.«
»Gut geantwortet, Miss Asriel. Eine englische Antwort auf eine sehr unenglische
Frage. Sie sollten mal in den Sportklub kommen, Tennis spielen. Wir haben Mangel an
Damen. Unsere jungen Leute klagen bitter darüber.«
Hanna errötete wieder. Sie war schon öfters eingeladen worden, dem britischen
Sportklub beizutreten, aber sie fühlte, dass die Einladung des Obersten mehr war als nur
eine Entschuldigung für seine Frage. Sie wäre fürs Leben gern hingegangen, hätte gern
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355