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214 C. Wolfgang von Weisl
Hanna lächelte. Sie dachte an Eldad und sagte Gutkowski leichthin antwortend, die
Augen auf ihre Arbeit geheftet : »Es muss schön sein, von irgendeinem Menschen ge-
liebt zu werden. Von jedem Menschen. Nicht gerade von mir. Finden Sie nicht auch,
Doktor ?« Sie war mit der Korrespondenz fertig, ging an Gutkowski vorbei auf den Kor-
ridor und fragte : »Sie haben mir etwas zu sagen, Doktor ? Ich höre.«
Gutkowski fĂĽhrte sie nach seinem Zimmer, bot ihr einen Sessel an, schloss die TĂĽr,
blieb vor ihr stehen. Verlegen. »Sie dürfen mir nicht böse sein, wenn ich über Dinge
rede, die mich nichts angehen«, entschuldigte er sich stotternd. »Sie kennen doch Je-
rusalem, kennen es viel besser als ich. Sie wissen, wie klein die Stadt ist. Jeder sieht
jedenÂ
…«
»Was wollen Sie damit sagen ?«, fragte Hanna ruhig.
»Die Engländer im Amt reden über Sie. Machen Witze. Verstehen Sie, Miss As-
riel. Sie kommen nicht in den Club, obwohl ich Ihnen so sehr zugeredet habe – es
wäre wirklich nützlich, mit den Beamten auch außerhalb des Bureaus zusammenzu-
treffen, glauben Sie mir. Also …« Er hatte den Faden verloren und schwieg verwirrt. Er
schöpfte tief Atem und trat einen Schritt von Hanna zurück.
Das Mädchen verstand erst jetzt, was Gutkowski ihr zu sagen hatte. Und verstand
zugleich, dass es zwecklos war, Schu’al davon zu erzählen, ihm die Augen zu öffnen über
die Klatschereien und Intrigen, in deren Mitte er ahnungslos lebte. Wie immer sein
Schicksal werden wĂĽrde, die WĂĽrfel waren ĂĽber ihn geworfen.
FlĂĽchtig zuckte die Erinnerung an die Mahnung ihrer Mutter durch die Gedanken
Hannas. Sie fĂĽhlte, dass ihre Mutter Recht hatte, und sogar die Angestellten der Zio-
nistischen Kommission hatten in ihrer Art Recht. Eldad passte nicht in ihren Kreis –
hatte etwas an sich, das ihre Feindschaft unentrinnbar herausfordern musste. Sie nickte
Gutkowski zu, der ängstlich, mit bittenden Augen auf ihre Antwort wartete, wie ein
armer SĂĽnder auf einen Urteilsspruch des Richters. Sie befeuchtete mit der Zunge ihre
trocken gewordenen Lippen und flüsterte : »Es ist freundlich von Ihnen, Doktor, dass
Sie so viel Interesse fĂĽr einen meiner Bekannten zeigen. Ich danke Ihnen. Lehitraoth,
auf Wiedersehen !«
Gutkowski fasste nach ihrer Hand, die sie ihm diesmal, mĂĽde geworden, nicht ent-
zog : »Nein, Miss Asriel, Sie irren sich. Ich habe gar kein Interesse an Herrn Schu’al, gar
kein Interesse habe ich für ihn – aber an Sie dachte ich, als ich mich nach ihm erkun-
digte. An Sie denke ich immer. Denke an Sie, bei allem, was ich tue. Wenn Sie einmal
einen Entschluss fassen … ich meine : was immer Sie einmal beschließen werden – Sie
sollen wissen, Geweret Asriel, dass ich da bin. Dass ich immer da sein werde, wenn Sie
es wollen. Dass ich Sie liebe, dass ich glĂĽcklich sein werde, wenn Sie sich einmal ent-
schlieĂźen werden, meine Frau zu sein. Dass ich darauf warte, dass Sie einmal mir sagen
werden : ja, ich will …«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355