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216 C. Wolfgang von Weisl
Weg in die arabische Wüste. Große, vereinzelte Tropfen fielen bereits auf den breit-
krempigen Strohhut, auf den Hanna sehr stolz war.
Hanna ging deshalb nach Hause ; bergab zur Mamilla-Straße. Nur ein scharfer Be-
obachter hätte bemerkt, wie ihre Augen an der Jaffastraße hingen und Ausschau hielten
nach dem schlanken Burschen mit dem langen Haar, den sie gerade in diesem Augen-
blick so sehr an seiner Seite gewünscht hätte. Nun musste sie vielleicht bis zum Abend
auf das Wiedersehen warten ; dem Abend, der jetzt schon früh niedersank, aber noch
immer viel zu spät für das Mädchen, das durch die schlechten Nachrichten über Eldad
ebenso aufgewühlt war wie durch den Heiratsantrag Gutkowski und das unter dem
Alleinsein litt.
* * *
Eldad war in diesem Augenblick in einer Welt, die von Hanna weiter entfernt war als
das »Hotel Jus« vom Amtszimmer des Colonels Antimon. Er stand im Büro Kazprins
–
der mit der amerikanischen Delegation auf Inspektionsreise war – vor seinem Schreib-
tisch, und ihm gegenüber saßen drei Arbeiterführer : seine Freunde Steinberg und Har-
zwi und ein dritter, der »alte« Barzeew. Sie verhandelten mit ihm über Dinge, die ganz
aus dem Wirkungskreis eines Department-Sekretärs herausfielen. Kazprin hätte Rechte
gehabt, höchst unzufrieden darüber zu sein.
Der »alte« Barzeew, ein Mann Mitte der Vierzig, mit einem ausgetrockneten Kör-
per ohne ein einziges Lot Fett und einem von Wind und Sonne zwanzig harter Ar-
beiterjahre verwitterten Gesicht, war ein Veteran aus der heroischen Vorkriegszeit der
Palästina-Siedlung. Einer jener Schwärmer, die 1906 nach der ersten russischen Revo-
lution94 als Landarbeiter hergekommen waren mit dem Ziel, die heilige Arbeit für den
jüdischen Proletarier zu erobern, zu beweisen, dass die jüdische Landwirtschaft nicht
arabische Knechte, arabische Taglöhner, arabische Dorfwächter brauche
– dass jüdische
Hände all diese niedrigen, schweren, elend bezahlten Arbeiten ebenso leisten können
wie die der Araber, die bis dahin ausschließlich dafür verwendet worden waren.
Barzeew hatte den Sieg seines Traumes erlebt ; aus einer Handvoll verstiegener Mär-
tyrer war eine mächtige Arbeiterbewegung geworden ; aus den paar tollkühnen »Wäch-
tern«, den »Schomrim«, deren Organisation er mitbegründet hatte, war der neue Geist
des neuen wehrhaften Juden in das ganze Volk ausgestrahlt. Barzeew hätte stolz sein
können – aber als er jetzt im Zimmer Schu’als saß und mit kleinen, regelmäßigen Be-
wegungen die Hand auf das Knie fallen ließ, wie um den Takt zu seinen Gedanken zu
94 Erste russische Revolution : Ausbruch am 22. Januar 1905 mit dem Generalstreik von 150.000 Ar-
beitern in Petersburg, Höhepunkt war die Meuterei auf dem Panzerkreuzer Potemkin am 27. Juni
1905.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355