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222 C. Wolfgang von Weisl
»Eine feine Aufgabe. Die Lage ist hoffnungslos. Keine 70.000 Menschen sind wir, und
gegen uns stehen 600.000 Araber. Wenn sie richtig angreifen, erdrücken sie uns.«
Steinberg und Harzwi lachten ein wenig, weil Barzeew so erstaunt aufschaute, Bar-
zeew glaubte, Furcht aus Eldads Worten herauszuhören, während die alten Gefährten
fühlten, dass Schu’al eigentlich zufrieden war, gegen alle Vernunft und alle Hoffnung
kämpfen zu dürfen.
Eldad sah Barzeew einen Augenblick verblĂĽfft an, dann lachte er selbst, stand auf,
ging auf den Arbeiterpionier zu, dessen schmale Schläfen bereits grau schimmerten
und schlug ihm beruhigend auf die Schulter : »Sie werden aber nicht richtig angreifen,
Barzeew. Sie hatten uns in Metulla in der Mausefalle, einen gegen hundert, und griffen
nicht an. Sorge du nur für Geld, damit wir Waffen kaufen können. Dann werden wir
schon mit ihnen fertig werden.«
Barzeew stand auf. Er ärgerte sich über den Ton, in dem der junge Bursche da mit
ihm sprach. Als sei er Kaiser von Gottes Gnaden, dachte Barzeew. Ich komme zu ihm,
gebe ihm eine kleine technische Arbeit als Instruktor, bei der er nichts von der Or-
ganisation sehen kann, die wir aufbauen und die ganz in meiner Hand bleiben wird,
und er benimmt sich, als sei er mein General. Noch mehr verdross es ihn, dass Stein-
berg und Harzwi die FĂĽhrerschaft dieses Neulings stillschweigend anzuerkennen schie-
nen. »Wir werden eine Kommission für Jerusalem wählen, Harzwi wird drinnen sein,
undÂ
…«, wollte Barzeew ausführen, aber Eldad unterbrach ihn : »Harzwi weiß, dass ich
mit Kommissionen nicht zusammenarbeite. Ich bin Soldat. Ich denke, einer soll fĂĽhren,
der etwas versteht und der allein die Verantwortung trägt. Und die anderen sollen ge-
horchen. So verstehe ich die Organisation einer Verteidigung. Ich werde ĂĽbrigens noch
an Jabotinsky schreiben, seine Weisungen einholen.«
Jabotinsky – das war der Schöpfer der »Jüdischen Legion«105, der ungekrönte König
der palästinensischen Jugend, ihr Vorbild und ihr Gott.
Eldad schüttelte den Freunden die Hände. »Harzwi, gehst du jetzt nach Hause ? Ich
kann dich nicht begleiten, ich schreibe noch einen Brief. Steinberg, mein Lieber, ich
komme am Samstag zu dir nach Jaffa, ich will mir deine Leute dort anschauen. Auf
Wiedersehen, Barzeew. GlĂĽckliche Reise und guten Erfolg in Haifa. Schreibe so bald
wie möglich, dass ich zu dir kommen kann.«
Barzeew ärgerte sich wieder. Denn jetzt fand auch er nicht die richtigen Worte, um
dem jungen Mann klarzumachen, dass er, Barzeew, den Gedanken der Selbstwehror-
ganisation gefasst hatte und dass er nicht gewillt sei, sich von irgendeinem andern ver-
drängen zu lassen. Eldad aber kam gar nicht darauf, dass Barzeew anderer Meinung sein
105 Vgl. AWI 179, Anm. 51.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355