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Der Anfang der Wandlung Israels 237
ten, glitzernde Messinggefäße und wallende Beduinenmäntel standen, lagen, hingen
und wehten vor den Holzgestellen der Marktbuden. Auf billigen Teppichen saßen die
Händler, ruhige, meistens behäbige Männer mit würdigen Bärten, sparsam an Bewe-
gungen, gleichmütig auf den Käufer wartend, den Allah ihnen schicken würde, um sie
zu ernähren oder um diesen zu bestrafen. Als die vier Juden an ihnen vorbeigingen, hob
einer nach dem andern die Augen und sah sie prüfend an, lauernd, mit unheimlichem
Hass hinter den langen schwarzen Wimpern. Eldad fühlte ein Meer von unbekannten
Tiefen hinter diesen dunklen Augen, hinter diesen glatten, hellbraunen Stirnen. Fühlte,
wie er und seine Kameraden Eindringlinge waren, in dieser Welt, die bis zu ihrem Kom-
men einheitlich, in sich geschlossen verharrt hatte. Würden sich diese Menschen je ver-
söhnen lassen, die durch jüdischen Wetteifer aus ihrer Beschaulichkeit gerissen wurden ?
Würden sie je zu Freunden werden oder je zu guten Nachbarn ?
Prüfend sah Eldad die beiden Böhmen an, die neben ihm gingen. Welchen Eindruck
machte wohl der Bazar mit den schweigenden, wartenden Krämern auf diese Neuen ?
Gar keinen, fand er. Die jungen Leute freuten sich an den seltsam aussehenden Waren
und dem morgenländischen Farbenglanz. Sie sahen wohlgefällig und ahnungslos auf
die malerischen Lumpen der Lastträger, die, ihre Tragseile auf den Rücken geschnallt,
auf der Erde kauerten und vergnügt plauderten. Die Einwanderer bemerkten nicht, dass
die Träger ihre Scherze abbrachen, als die Juden an ihnen vorbeikamen, und dass sie mit
bösen, listigen Augen die Fremden anstarrten. Der Feind von morgen ! Eldad krallte die
Nägel in den Handballen seiner Rechten, um die leise keimende Angst niederzuzwin-
gen, die ihn überfiel, als immer neue Wellen von Hass und Wut und Verachtung aus
den Leibern der Araber ihm auf seinem Wege entgegenströmten. Nein, die Juden waren
nicht Heimkehrer in dieser semitischen Welt, nicht Heimkehrer vor dieser Moschee,
von deren Turm die Kehle des Muezzins soeben ihren Gebetsruf über die Hafengäss-
chen sang, nicht Heimkehrer in diesen dunklen, verwitterten Durchgängen mit ihren
glitschigen Pflastersteinen, die wie feindliche Fallen aussahen, für die fremden Nord-
länder.
Sie kamen als Eroberer ins Land
– als waffenlose Eroberer. Als flüchtende Verfolgte,
die hier ihr Bettlergewand wie eine Maske abzuwerfen wünschten, um dann verwandelt
als freie Herren auf eigenem Boden zu stehen, dachte Eldad. Aber ob es ihnen gelingen
würde ? Es müsste die erste waffenlose Eroberung der Weltgeschichte sein, die erste,
beispiellose …
An kleinen, engen Speisehäusern gingen sie vorbei, in deren Türöffnungen lustige
Köche Fleisch- und Fettstücke auf Eisenspießen über Holzkohlen brieten, mit Scherz-
worten die Müßiggänger einladend, von ihrem »Kebab« zu kosten. Auch die Garköche
verstummten, sobald sie die vier Juden sahen, obwohl es im Hafenviertel Jaffas schon
viele gab. Sie gingen weiter, vorbei an den zahlreichen Agenturen von Schifffahrtsgesell-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355